von Nicole Bruderer-Traber

John Chalmers, ehemaliger Moderator der  General Assembly of the Church of Scotland, hat eindrücklich vom „Radical Action Plan“ erzählt – nicht aufgeregt, sondern gelassen, aber mit Nachdruck. Angesichts von beunruhigenden Veränderungen in der Schottischen Kirche,  vor allem massiv sinkende Mitgliederzahlen und Traditionsabbruch, wurde ein Konzept entwickelt, das unter anderem vorsieht, 100 „new worshipping communties“ bis 2030 zu realisieren.

Mich erinnert dies an „Aufforstungsprogramme“, wie ich sie in den 80er Jahren im Zusammenhang mit dem Waldsterben und dem Borkenkäfer mitbekommen habe.  Mit Songs wie „De Borkechäfer Schmatzschmatz“ (Peach Weber) hat sich das Thema tief in meine Kinderseele eingeprägt.  Als Jugendliche ging ich sodann davon aus, dass ich noch erleben werde, wie der letzte Wald stirbt.

Gott sei Dank - meine Prognose scheint sich als falsch zu erweisen und das gibt mir Hoffnung! Auch für die heutige Situation der (institutionalisierten) Kirche. Damals, und das nehme ich heute in der Reflexion als einen Geist der Hoffnung wahr, war man fest entschlossen, dem Waldsterben entgegenzuwirken. Naturschutzbewegungen wurden stärker wahrgenommen und gefördert. In den Kirchen wurde das Bewusstsein für Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung für mich bereits als Kind und später als Jugendliche sicht- und wahrnehmbar. Ich erinnere mich an „Waldputzaktionen“, an „Jute statt Plastik“ und an „Bananenfrauen“. Neben dem konkreten Tun gab es immer auch Gespräche, Lieder (Laudato si) und Gebete. Tat und Wort – Wort und Tat. Und immer ist uns bewusst gewesen, dass unsere Hoffnung zwar kraftvoll ist und uns beflügelt, dass das Erreichen unserer Ziele aber letztlich unverfügbar bleibt. Sehnsucht haben wir als Geschenk der Unverfügbarkeit erfahren. Wir entfalteten uns als „joyful  Co-Creators“, weil wir wussten: „You are enough“ – um den Wortlaut unserer Gastgeber:innen in Schottland aufzunehmen.

Zurück zu den 100 neuen Gemeinden: In der Krise wird nicht resigniert, sondern investiert. Ein Beispiel dafür ist Liz Crumlish. Sie leitete bis vor anderthalb Jahren das Programm «Path of Renwal» und hat davon erzählt, wie sie mit Pfarrer:innen unterwegs war, um Innovation und Pioneering zu fördern. Ihre  Arbeit bestand hauptsächlich aus Hingehen und Zuhören. Das ist für mich gleichsam die Urform von Seelsorge, von Partizipation an der Missio Dei und insofern auch die Grundlage für missionales Wirken. Die Begegnung mit Liz Crumlish hat mir vor Augen geführt, dass durch Glaubenskommunikation Hoffnung, Sehnsucht, Begeisterung, Hingabe und Beseeltsein gefördert und befördert werden können. Und dies, so habe ich es verstanden, bildet den Grund für „hot religion“ und dafür, dass „the sunday sermon“ auch „monday relevance“ hat.

„Playfulness“, unternehmerischer Mut und Zuversicht sind nötig. Das nehme ich aus der Studienreise mit in mein Wirken vor Ort. Und ich freue mich, dass es etwa in der St.Galler Kirche einen Innovationsfonds gibt oder dass im Rahmen von „DNA“ in der Appenzeller Kirche ein Netzwerk für neue kirchliche Ausdrucksformen besteht und dass schon jetzt in Pflichtenheften von Pfarrer:innen ein Teil der Arbeitszeit bewusst für „Erprobungsräume“ frei gehalten wird. Ich bin überzeugt, dass wir mit solchen „Enabling Spaces“ dem „Kirchensterben“ etwas entgegenzuhalten haben und darum wieder fröhlichere Lieder singen sollen. Aber ich glaube auch, dass das Gelingen dieses Vorhabens unverfügbar und somit Geschenk bleibt.

 

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