von Philipp Kohli

Zu zweit spazieren wir in Edinburgh der Küste entlang. In einer Häuserreihe an vorderster Front entdecken wir eine Kirche. Über dem Eingang hängt ein grosses Schild mit der Aufschrift: “alienrock”. Interessiert betreten wir das Kirchengebäude und werden überrascht. Der Boden ist mit dicken Matten ausgelegt, da sind Menschen in Klettergurten, es klicken Karabiner, Seile hängen und die Wände sind voller Klettergriffe und Haken. Dieses Kirchengebäude wird jetzt als Kletterhalle genutzt. Im ganzen Innenraum wurden Wände aus dickem Sperrholz hochgezogen.
In einzelnen Giebeln sieht man dahinter noch die alten Kirchenstrukturen und Teile von Kirchenfenstern mit buntem Glas. Diese Spuren der früheren Innenraumgestaltung werden aber komplett von der neuen Nutzung überdeckt. Es dominiert der Eindruck Kletterhalle.

Im Raum sind etwa zehn Personen anwesend. Zwei Personen sind in einer Bürokabine und erledigen offenbar Administratives. Die anderen sind entweder am Boden am sichern oder oben in der Wand. Es herrscht eine konzentrierte, ruhige Atmosphäre. Die Menschen scheinen zufrieden und wirken als Gruppe, die hier gemeinsam etwas Schönes erlebt. Als Gäste fühlen wir uns willkommen und wenn wir mehr Zeit hätten, würden wir sicher auch Ausrüstung erhalten und könnten mit Klettern beginnen.

Soweit ich es der Internetseite www.alienrock.co.uk entnehmen kann, ist diese Kletterhalle von der Kirche unabhängig. Wohl ein eigenständiger Verein, der die Kirchenräume gemietet oder gekauft hat. Institutionell ist es keine Kirche mehr. Trotzdem geschieht in diesen Räumen viel von dem, was auch Kirche ausmacht. Es ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen und Gemeinschaft entsteht. Gerade das gemeinsame Klettern fordert viel gegenseitiges Vertrauen. Das Gefühl willkommen zu sein und mitmachen zu dürfen habe ich als besonders vorbildhaft auch für Kirche im Allgemeinen empfunden. Diese Atmosphäre wünsche ich mir mitzunehmen.

Das Klettern bietet auch einige theologische Anknüpfungspunkte: Mut, Vertrauen, die Frage nach dem was trägt und dem Ziel vor Augen. Klettern als erlebnispädagogische Aktivität lässt sich auch ohne Umbau der Kirchenräume sehr gut auch im schweizerischen reformierten Kontext einbauen. Zum Beispiel als Konfklasse eine bestehende Kletterhalle oder einen Seilpark besuchen und davon ausgehend ins Gespräch zu den relevanten Lebensthemen wie Beziehungen, Vertrauen und den Halt im Leben zu kommen.

Diese Inspiration nehme ich gerne von dem Besuch in dieser Kirche mit. Ich wünsche mir Kirche, die überraschen kann, die offene Gemeinschaft ist, die zum mitmachen einlädt und die Menschen ein Stück vom guten Leben schenkt.

 

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