FRAGEN ÜBER FRAGEN ...
Wo war ich? Ach so, bei meiner Zangengeburt. Uff! Die Predigt vom kommenden Sonntag. Die Vorbereitung: ein Knorz wie immer. Zum Glück bin ich kein Pfarrer, der alle zwei Wochen auf der Kanzel steht!
Über die Noah-Geschichte sollte ich predigen. Seltsam. Immer, wenn ich eine Predigt vorbereiten sollte, schwirren mir die eigenartigsten Fragen durch den Kopf: War Noah eigentlich ein Archetyp? Und warum hat er die zwei Stechmücken nicht einfach erschlagen? Wurde das Tote Meer auch erschlagen? Oder ist es gestorben, weil jemand in See stach? Fragen über Fragen ...
Das Telefon klingelt. Guten Tag Frau Helbling... Sie möchten nächstes Jahr in unserer Kirche heiraten?... Sind Sie Mitglied unserer Kirchgemeinde?... Ah, Sie kommen aus Lenz im Bündnerland. – Ja, sind Sie denn in Lenz Mitglied der Kirchgemeinde?... Wie? Sie wissen es nicht? – Wer würde Sie dann trauen?... Ah, der Freund ihres Partners hat einen Freund, der ab und zu mit einem Pfarrer Tennis spielt. – Ist das ein reformierter Pfarrer? Oder ein Priester? Oder ein Rabbi?... Wie? Was denn da der Unterschied sei? – Sagen Sie mir doch einfach mal, welcher Konfession sie angehören... So, ich soll einmal aufzählen, was es so alles gibt, es kommt Ihnen dann schon in den Sinn? – Hören Sie, klären Sie doch einfach mal ab, welcher Konfession Sie angehören und ob der von Ihnen vorgesehene Pfarrer mit Ihrer in irgendeiner Art kompatibel sei. Und dann rufen Sie ... Aufgehängt.
Wo war ich doch gleich? Ach so, bei Noah. – Das Telefongespräch mit Frau Helbling, die nicht weiss, ob sie katholisch oder reformiert ist, bleibt an mir hängen. Neue Fragen steigen in mir auf: Wenn Katholiken an einer Demonstration teilnehmen – sind sie dann Protestanten? Wohnte Martin Luther eigentlich in einem Reformhaus? Und wenn in Lenz jemand aus der Kirche austritt – ist er dann ein Lenzerheide? Fragen über Fragen ... Die wichtigste von allen: Wann wird endlich die selbstschreibende Predigt erfunden?
Von Andreas Müller
HEITERE «MÜSTERLI» AUS DEM STINKNORMALEN PFARRERINNEN-ALLTAG
Unmittelbar nach einer Beerdigung rannten drei «Guschtis» schnurstracks und total erschreckt Richtung Friedhof. Ich befürchtete, dass eines der Tiere ins noch offene Grab stürzen würde. So versuchten die Sigristin und ich, wildfuchtelnd und in Stöckelschuhen, sie daran zu hindern. Das sah zwar nicht sehr liturgisch aus, aber es gelang uns gottlob. Später erhielt ich vom Bauern eine Pralinenschachtel. Ein Schuhputz wäre besser gewesen.
Bei einem Trauergespräch kommt ein Mann später dazu. Er setzt sich an den Tisch, öffnet zischend eine Dose Red Bull und nimmt genüsslich den ersten Schluck. Seine Frau fragt mich: «Nehmen Sie einen Tee?» Ich: «Danke vielmal, lieber ein Red Bull!». Verdutzte Gesichter. Gelächter. Ich entschied mich dann doch für den Tee.
Bei meinem erstmaligen Auftauchen in einem Altersheim zur Andacht meinte eine Bewohnerin zu ihrer Nachbarin in der hintersten Reihe: «Du, hesch gseh, dr Herr Pfarrer, isch e Frou!»
Anschliessend an eine Beerdigung wurde ich zum Essen eingeladen. Ich kam an den Tisch der Trauerfamilie zu sitzen, zufällig neben dem Sohn des Verstorbenen. Die Kellnerin kam zur Türe herein und fragte unüberhörbar in die Stube, zu meinem Sitznachbarn zwinkernd: «Hesch e Nöii?» Er: «Nei, das isch d’Pfarrere!»
Fünf Seniorinnen und Senioren luden mich zum Essen ein. Als ich zur Türe hereinkam, tönte es von weiter hinten: «Waaas? SIE sind die Pfarrerin?» (Pause) «Ich habe mir eine gesetzte Dame vorgestellt!»
Bei einer Abdankung verwechselte ich zwei Zahlen im Lebenslauf des Verstorbenen, wobei ich eine anwesende Tochter um ca. 30 Jahre «verjüngte». Die ganze Trauergemeinde, inklusive «Geschädigte», lachte herzhaft... Schwein gehabt!
Von Nica Spreng
DER SCHLAF DES ORGANISTEN
Eine respektable Gemeinde fand sich an jenem trüben Novembernachmittag zusammen, um von einem Gemeindeglied Abschied zu nehmen. Der zuständige Organist war ein Vertreter, den ich gut kannte. Mit den Abläufen waren wir beide vertraut. Ich würde die Trauerfeier liturgisch gestalten, predigen und der Organist würde an der Orgel spielen, die an der Stirnwand des Kirchenchors – gut sichtbar für die ganze Gemeinde – installiert ist. Der Einstieg gelang gut. Der Organist hielt sich genau an den schriftlichen Ablauf: Orgelspiel, Lebenslauf, Zwischenspiel und abschliessend die Predigt. Ich hatte den Gottesdienst wie immer sorgfältig gestaltet. Ich wollte das Leben des Verstorbenen nochmals würdigen, es verschränken mit einem biblischen Text, sodass der Segen und die Verheissung für dieses Leben – auch über den Tod hinaus – für die Angehörigen spürbar werden könnte. Ich fand, dass es mir gut gelungen ist. Und so setzte ich nach zehn Minuten zufrieden zum Schlusssatz an, sprach ein «Amen» und setzte mich in das seitliche Chorgestühl.
Jetzt würde gleich ein weiteres Orgel-Zwischenspiel folgen. Ich wartete einen Moment. Eine stille Pause tut einer Trauergemeinde gut. Als nach zwanzig Sekunden noch keine Musik einsetzte, drehte ich mich zur Orgel um. Der Organist sass mit nach vorne gebeugtem Oberkörper, gut sichtbar für die Gemeinde auf seinem Stuhl – und schlief tief. Mit zaghaften Gesten und schliesslich mit grossem Winken versuchte ich mich bemerkbar zu machen. Es half nichts. Die Gemeinde schaute inzwischen schon neugierig, wie ich das Problem lösen würde. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zu wecken. Liturgischen Schrittes ging ich auf ihn zu und stiess ihn leicht an die Schulter. Nichts. Also schüttelte ich ihn schon bestimmter. Sogleich erwachte er erschrocken. Er zuckte zurück, verwarf die Arme mehrfach über seinem Kopf, schoss hoch, hüpfte auf den Orgelbock und griff so vehement in die Tasten, als müsse er seine Schläfrigkeit energisch abschütteln. Während das wuchtige Zwischenspiel ertönte, kehrte ich möglichst unauffällig an meinen Platz zurück und sah noch schnell in die erleichterten und milde lächelnden Gesichter der Trauergemeinde.
Von Thomas Schaufelberger
Andreas Müller ist Sozialdiakon, Theaterpädagoge und Comedian www.iGelb.ch
Thomas Schaufelberger ist Pfarrer, Leiter A+W. Er hat während zehn Jahren in der Kirchgemeinde Stäfa gearbeitet.