Vor elf Jahren hat Jan Bauke die Theologie an den Nagel gehängt und ging zur Berufsfeuerwehr Flughafen Zürich. Bis dahin war er 22 Jahre lang theologisch tätig. Nach seinem Studium absolvierte er das Lernvikariat, doktorierte und habilitierte. Eine Professur wurde ihm jedoch nicht angeboten. «Dafür braucht es Beziehungen und diplomatisches Geschick, beides fehlte mir zu dieser Zeit», sagt Bauke. Heute ist er Abteilungsleiter Ausbildung und stellvertretender Kommandant Feuerwehr bei Schutz & Rettung Zürich.
Seine Feuerwehr-Karriere startete bereits in jungen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Langnau am Albis. Fasziniert von dieser Welt besuchte er verschiedene Kurse, und ehe er es sich versah, avancierte er vom einfachen Feuerwehrmann zum Offizier und schliesslich zum Kommandanten. 2006 machte er sein Hobby zum Beruf: Er nahm die Stelle Ausbildungsleiter der Berufsfeuerwehr Flughafen Zürich an. 2008 folgte bereits der nächste Karriereschritt: Die Berufsfeuerwehr der Stadt Zürich fusionierte mit der Flughafenfeuerwehr. Bauke bewarb sich als Abteilungsleiter und erhielt den Posten. An der Feuerwehr fasziniert ihn das konkrete Tun, das Bodenständige und Lösungsorientierte. Das hat ihm in der Theologie gefehlt.
DAS HOBBY WIRD ZUM BERUF UND UMGEKEHRT
Dass Jan Bauke früher Pfarrer war, hatte sich schnell herumgesprochen und wurde zu seinem USP. Das Studium bescherte ihm einen breiten Horizont und er lernte, mit den Menschen umzugehen. «Ähnlich einem Pfarrer sind auch wir nahe an den Menschen, erleben sie in schwierigen Situationen und wir erhalten Einblicke in ganz unterschiedliche Lebenssituationen. Einblicke, die man sonst nicht erhalten würde – das berührt», erklärt Bauke. Auch innerhalb des Teams profitiert er von seinem theologischen Hintergrund. «Es ‹menschelt› sehr bei uns», sagt er und ergänzt: «Ich bringe den Menschen viel Verständnis entgegen.» Das spüren seine Mitarbeitenden. Nicht alle mögen ihn, da er gerne Klartext redet und den «Unidünkel» nicht ganz ablegen kann, aber sie vertrauen ihm, «der verarscht uns nicht», ist von Mitarbeitenden zu hören.
DIE KIRCHE HAT IHM ZU WENIG FEUER
Aus der Theologie fehlen Bauke manchmal die intellektuellen Auseinandersetzungen und kontroversen Diskussionen zu Fragestellungen. «Ich habe gerne schlaue Leute, mit denen ich diese Auseinandersetzungen führen kann», sagt er. Aus der Pfarrausbildung geblieben sind ihm die Kasualien, die er gelegentlich durchführen darf. Mal eine Trauung, eine Abdankung oder auch eine Taufe. So taufte er beispielsweise die beiden Töchter seines Chefs bei Schutz & Rettung.
Aus Jan Baukes Sicht fehlt es der Kirche heute an Feuer, an Kirchenmenschen, die mutig neue Wege gehen, die sich getrauen, auch Fehler zu machen. «Kirchliche Aufbrüche waren immer mutig und selten mehrheitstauglich», sagt er. «Die Kirche sollte neue Formen finden, mehr mit der Zeit gehen. So müsste doch nicht jede Kirche jeden Sonntag Gottesdienste anbieten. Wäre es beispielsweise nicht besser, weniger Predigten zu haben, dafür solche von guten Rednern?», fragt er. Und er wünscht der Kirche Mut, schwache Glut erlöschen zu lassen, damit Neues auflodern kann.
CHRISTLICHE NÄCHSTENLIEBE
Im Jahr 2000 hat er, damals noch als Milizfeuerwehrmann, zusammen mit einem Psychologen und einem Pfarrer ein kantonsweites
Care-Team für Feuerwehrleute ins Leben gerufen. Den Ausschlag dafür gab 1998 das ICE-Unglück in Eschende, Deutschland, mit 100 Toten und über 300 Verletzten. «Die vielen Einsatzkräfte benötigten Betreuung. Da wurde mir klar, dass wir hier auch so was brauchen», erzählt Bauke. Das Care-Team hatte schon kurz nach der Gründung einen steilen Start bei Ereignissen mit nationaler und internationaler Reichweite. «Mir ist es wichtig, dass die Feuerwehrleute nicht nur psychologisch, sondern auch seelsorgerisch betreut werden. Das hat für mich mit christlicher Nächstenliebe zu tun.»
DAS FEUER AM BRENNEN HALTEN
Sein eigenes Feuer nährt Jan Bauke mit Neugierde, mit Vertrauen in sich und die Welt und durch seinen Glauben, der ihm nach wie vor sehr viel bedeutet. Im Beruf ist es ihm wichtig, dass er seine Arbeit frei gestalten kann und sich ihm immer wieder neue Aufgaben stellen. «Wenn ich lange Zeit das Gleiche machen müsste, wäre ein Burnout oder genauer gesagt ein Boreout vorprogrammiert», sagt er. Trotz seiner Leitungsfunktion fährt Bauke noch immer auf rund 100 Einsätzen pro Jahr mit. «Jetzt sind es eher Spezialeinsätze, die ich begleite, Hochhausbrände oder Chemieunfälle gehören dazu. Technisch gibt es da viel zu lernen.» Neue Aufgabenstellungen ergeben sich auch mit den gesellschaftlichen Veränderungen: Handy-Akkus lösen Brände aus, die Klimaerwärmung verursacht Erdrutsche oder Hochwasser. «Wir müssen vorausblicken und uns auf neue Szenarien vorbereiten», erklärt er. Jan Bauke ist ein Alphatier und er will in seinem Beruf etwas bewegen. Mit seiner direkten Art eckt er auch mal an. Manchmal ist er aufbrausend und emotional. Damit hat er sich schon öfter die Finger verbrannt, aber das gehört einfach zu seinem Naturell, sagt er.
BERGE ALS RESSOURCE
Neben der Feuerwehr brennt sein Herz für die Berge. Wann immer möglich steigt er auf einen Gipfel oder verbringt Zeit in der Natur. Dort kann er Abschalten, Energie tanken und auf neue Ideen kommen. So wäre eine naheliegende Möglichkeit, sich in einem nächsten beruflichen Schritt für Rettungseinsätze in den Bergen zu engagieren. Würde ihm eine Stelle bei der alpinen Rettung angeboten, würde er wohl nicht allzu lange zögern und die neue Herausforderung annehmen. Das innere Feuer will schliesslich genährt sein.
Von Esther Derendinger, Bildungsentwicklung und Kommunikation A+W
Jan Bauke ist Theologe und heute Ausbildungsleiter und stellvertretender Kommandant bei der Berufsfeuerwehr bei Schutz & Rettung Zürich. Bis 2006 war er Leiter Hochschulpfarramt und theologischer Stabssekretär des Kirchenrats bei der Zürcher Landeskirche. Dann machte er sein Hobby zum Beruf und wechselte zur Berufsfeuerwehr.