Was lebt, bewegt sich; es betreibt Stoffwechsel, wächst, kommuniziert und ist unterwegs. Sich bewegen, sich auf den Weg begeben, ist also naturbedingt. Und weil dieser Trieb so stark und der Mensch weder eine Schnecke noch ein Fregattvogel ist (dieser schläft im Flugmodus), erfindet er ein Wohnmobil, ein Automobil, ein Mobiltelefon und mobiles Internet. Der Mensch richtet sich also so ein, dass er unterwegs leben kann und nicht im Wohnzimmer Runden drehen muss: essen to go, trinken to go, arbeiten to go, wohnen to go, leben to go – to go ist das Ziel. Aber warum? Es ist ein Trieb. Ah ja.
Und trotzdem bleibt die Sehnsucht nach zuhause. Denn sind wir unterwegs, telefonieren nach Hause (Generation E.T.), skypen in einem Strandcafé auf Koh Phangan mit daheim oder entzücken uns in der Gascogne ob der Landschaft: Hier sieht es ja aus wie im Baselbiet vor dreissig Jahren! Und das finden wir schön.
Was lebt, bewegt sich also, und was sich viel bewegt, lebt länger, intensiver und besser. Das wollen wir alle. Wir wollen Erfüllung und, wenn möglich, wollen wir mehr, wir wollen überquellen. Also vereinbaren wir wie die Gepickten Termine, rennen auf dem Laufband an Ort und Stelle, sammeln Kilometer, Höhenmeter, Flugmeilen; zählen Treppenstufen und Schritte, messen Herzschlag, Dezibel, Zuckerspiegel und führen Haushalt über den Kalorienverbrauch. Den Personal-Trainer und die Arztpraxis tragen wir stets in der Tasche mit. Auf der Jagd nach Unsterblichkeit und Anerkennung hetzen wir blutleer und unermüdlich immer durch dieselben Strassen, fahren immer dieselben Schienen hin und her, denken durch dieselben Gänge, schauen mit demselben Blick, klicken durch dieselben Websites und ziehen rund um unsere Home-Base dieselben Schlaufen.
Was lebt, bewegt sich. Aber lebt auch alles, was sich bewegt?
Daniela Dill, ist 1982 in Liestal geboren und lebt in Basel. Sie studierte Deutsch und Französische Literatur- und Sprachwissenschaften an der Universität Basel.
www.danieldill.ch