Von Peter Schulthess
«Haben Sie schon einmal Erfahrungen mit Engeln gemacht»? Verbunden mit einem Engelbild trat ich mit dieser Frage durch Inserate in regionalen und überregionalen Zeitungen an die Öffentlichkeit. Anlass dazu gab ein eigenes Erlebnis. Dieses lag zwar schon einige Jahr zurück. Es hatte mich aber dazu motiviert, mich intensiv mit Engelberichten aus der biblischen Tradition zu befassen. Ich stellte fest: An manchen Wendepunkten im Lebenslauf von biblischen Personen spielten Engel eine entscheidende Rolle. Auch im Leben von Jesus. Engel waren es, welche seine Mission interpretierten sowohl bei der Geburt wie auch bei der Auferstehung. Natürlich kann man das Erscheinen von himmlischen Wesen als erzählerisches Mittel betrachten, um einer Person mehr Autorität zuzusprechen. Hat man aber eine eigene Erfahrung gemacht, kommen gegenüber diesem Deutungsversuch Zweifel auf.
Als dann in den Neunzigerjahren ausserhalb von Kirchen ein regelrechter Engelboom einsetzte, Engelbücher aus aller Herren Länder den Markt überfluteten, Engelläden wie Pilze aus dem Boden schossen, wollte ich untersuchen, was Menschen im Raum Zürich und Winterthur erlebten. Mit jedem Inserat lud ich gleichzeitig zu einem Gottesdienst ein, indem ich das Thema behandeln würde. Das Echo war erstaunlich, ebenso die Auswirkungen auf den Gottesdienstbesuch. Es ergaben sich viele Gespräche. Ich nahm die Berichte möglichst unvoreingenommen entgegen. Nur dort, wo es mir schien, dass sich eine ungesunde Abhängigkeit von übersinnlichen Erscheinungen entwickelt hatte, welche Eigenverantwortung, Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigten, versuchte ich darauf aufmerksam zu machen.
Die meist überraschende Präsenz einer transzendenten Dimension wird manchmal als hoch emotional erlebt. Die Begegnung kann derart energetisch geladen und der Eingriff bei Gefahr so stark und blitzschnell sein, sodass es wie nach einem Schockerlebnis eine gewisse Zeit braucht, um dies verarbeiten zu können. Selbst wenn eine Berührung sehr zart erlebt wird, bleiben Menschen vielfach staunend und etwas benommen zurück. Manchmal aber wirken sie einfach beruhigend, sodass man getrost einschläft. Zwei Beispiele sollen das veranschaulichen.
«Ich fuhr mit meiner Frau zum Gottesdienst. Eigentlich ging ich nur ihr zuliebe mit, denn ich war wirklich müde, gereizt, ja einfach schlecht drauf. Ich sass da, hörte der Musik zu und versuchte, mich auf den Abend einzustimmen. Doch mein emotionaler Zustand war nicht so, dass ich mich auf das Mitsingen einlassen konnte. Ich begann zu beten, versuchte, mit mir und Gott ins Reine zu kommen, aber meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Ich versuchte es mehrmals, diese mich hemmenden Gedanken loszuwerden und mich auf Gott einzulassen. Nach ungefähr einer halben Stunde bekam ich dann ganz plötzlich dieses Gefühl. Zuerst war es wie ein sanfter Druck auf meinen Schultern. Doch dann wurde es immer intensiver und ich merkte, wie es wärmer wurde und sich diese Wärme in ein wohliges Gefühl verwandelte. Immer deutlicher spürte ich, dass jemand hinter mir stand und mir Hände aufgelegt wurden, obwohl da weitere Stuhlreihen waren, in denen andere Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes sassen. Ich konnte diese starken und trotzdem so sanften Hände deutlich auf meinen Schultern spüren. Ich konnte den Engel nicht in Gestalt sehen, aber es war da ein gewaltiges Licht, das wie durch mich hindurchdrang, das ich deutlich wahrnehmen konnte. Ich bekam gar nicht mehr mit, was um mich herum in dieser Zeit geschah. Ich fühlte mich wie verwandelt und brauchte einen Moment, um zu begreifen, was da wirklich mit mir passierte.»
«Ich war etwa zwölf Jahre alt. Wie jedes Jahr verbrachten wir die Sommerferien auf dem kleinen Bauernhof meiner Grossmutter. Und wie jedes Jahr wurde ich von dieser nächtlichen Atemnot heimgesucht. Um mir das Atmen zu erleichtern, befeuchtete meine Mutter die Raumluft, indem sie trotz der Sommerhitze, Töpfe mit Wasser auf den brennenden Herd stellte. Ein Arzt war in dieser Gegend nur schwer zu finden, sodass ich keinerlei Medikamente erhalten konnte. In dieser Nacht wurde meine Not immer stärker. Es war als ob ein tonnenschweres Gewicht auf meiner Brust lag und mir immer mehr die Möglichkeit zu atmen nahm. Ich wollte weinen, nach meiner Mutter rufen, aber das Asthma verengte eisern und gnadenlos meine Atemwege, sodass mir für nichts anderes Kraft blieb, als bewegungslos und stumm gegen den Erstickungstod anzukämpfen. Ich war allein, Hilfe zu rufen war nicht mehr möglich, und ich litt unsäglich. Tränen rannen mir über die Wangen, während ich spürte, wie meine Kraft langsam nachliess.
Plötzlich wurde mir klar, dass der Tod ganz nahe war. Ich spürte, dass ich jetzt ersticke.
«Gott im Himmel, nun ersticke ich. Hilf mir bitte!» Diese wenigen Worte betete ich in meinem Kinderherzen in allergrösster Not. Da sah ich plötzlich eine Gestalt im schummrigen Licht des Ofens stehen, wenige Meter von mir entfernt. Diese kam auf mich zu, wobei ich nicht sagen konnte, wie sie sich fortbewegte. Irgendwie schien sie über den Boden zu schweben. Sie berührte mich sanft, ohne ein Wort zu sagen. Sofort konnte ich frei und ohne Probleme atmen. Dann war die Gestalt verschwunden. Im Ofen flackerte noch das Feuer, und ich schlief rasch, tief und fest ein.»
Aus diesem Zwölfjährigen ist später ein Hausarzt geworden. Ob dieses Erlebnis mit der zarten himmlischen Berührung ihn in diese Berufsrichtung geführt hat?
Peter Schulthess war während 25 Jahren als Pfarrer, Notfallseelsorger, Ausbildner, Dozent, Redner, Prediger und Buchautor tätig. Seit 2017 ist er pensioniert. Die Leidenschaft für Gott und die Menschen, sowie das Interesse für Übersinnliches leiten ihn noch immer. Neben verschiedenen Dienstleistungen, die er heute anbietet, ist er nach wie vor als Notfallseelsorger und Redner unterwegs und forscht im Bereich «übersinnliche Phänomene».
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www.pfarrer-schulthess.ch
«Es gibt mehr – Erfahrungen mit einer unsichtbaren Wirklichkeit» und
«Wie Engel begleiten» Erfahrungen aus biblischer und heutiger Zeit Peter Schulthess, Blaukreuz-Verlag, Bern
Gott suchen in allem: Ignatianische Exerzitien (20.–24.1.2020)