Matthias Bachmann: Werdet ihr bereits umworben von euren Kantonalkirchen?
Ariane Albisser: Weniger von meiner Kantonalkirche, mehr von Personen in der Kirchgemeinde: «Gellet Sie, wenn Sie dann fertig sind, dann bewerben Sie sich bei uns!» Bei der Basis spüre ich eine gewisse Angst, dass sie plötzlich ohne Pfarrperson dastehen könnte.
In absehbarer Zeit werdet ihr euch auf eine Pfarrstelle bewerben. Worauf werdet ihr achten?
Francesco Cattani: Ich würde einen Kurzabriss geben über meine theologischen Positionen. Es muss eine Kongruenz geben zwischen der Gemeinde und mir.
AA: Das Schöne an der reformierten Landschaft ist, dass es sehr unterschiedliche Profile gibt und entsprechend unterschiedliche Gemeinden – da ist für jeden etwas dabei, was passt. Wenn ich dann in einer Gemeinde bin, ist mir vor allem wichtig, dass die Leute nicht einfach Ja und Amen zu allem sagen, sondern sich aktiv einbringen und selbständig denken. Ich will keine Marionettengemeinde, in der ich die Puppenspielerin bin.
Ihr überrascht mich! Ich dachte, ihr würdet bei einer Bewerbung mehr auf eure privaten Vorlieben achten: Teilzeit, Teampfarramt (oder auch nicht), Schwerpunktpfarramt …
AA: Ich fände es schwierig, mich zu bewerben und zu sagen: Ich gebe keinen Religionsunterricht. Als Theologin will ich mich nicht einer Aufgabe prinzipiell versperren.
Ihr könnt euch auch ein klassisches Einzelpfarramt vorstellen?
David Jäger: Ja, aber nicht zu abgelegen. Ich möchte mich jetzt nicht in ein Bergtal zurückziehen. In Stadtnähe kann ich mir das vorstellen.
FC: Ich hätte Mühe mit einem Einzelpfarramt, vor allem in einer ländlichen Gegend. Aber ich würde das wiederum theologisch begründen. Für mich spielen Themen wie soziale Gerechtigkeit und schwul‐lesbische Theologie eine wichtige Rolle. Mit diesen Themen würde ich vermutlich eher in eine urbane Milieugemeinde passen.
Ihr wollt, dass eure Theologie zur Gemeinde passt. Habt ihr nicht den Anspruch, die Menschen zu überraschen, sie mit einer frischen, coolen Theologie zu überzeugen?
DJ: Ich habe den Anspruch, auch ganz andere Leute anzusprechen als die Kerngemeinde. Ich habe schon das Gefühl, dass ich eine coole Theologie habe, die genau diese neuen Leute ins Boot holt (lacht).
FC: Coole Theologie, na ja. Ich hatte schon oft das Gefühl, eine coole Theologie zu haben, und dann veränderte sie ein Erlebnis wieder grundlegend. Theologie ist etwas Wandelbares, das finde ich schön.
AA: Ich traue der Gemeinde zu, dass alle Priester sind. Alle können über Gott nachdenken und theologische Gedanken entwickeln.
Wenn man immer nur anknüpft, befördert das dann nicht eine konservative Kirche?
AA: Man muss in der Gemeinde ankommen, aber dann muss man auch ausbrechen aus dem Bestehenden. Das prophetische Wächteramt fehlt heute häufig, dabei gehört es in jede Pfarrstelle. Menschen wachzurütteln, heisst ja auch, an ihrer Situation anzuknüpfen.
Ihr versteht euch stark als ergebnisoffene Ermöglicher, die mit Leuten unterwegs sind. Ist das die Zukunft der Kirche?
FC: Nur so können wir in Zukunft Kirche machen. Leute, die als Protestanten geboren werden und es fraglos bis zum Tod bleiben, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Die Leute bleiben an der Kirche nur interessiert, wenn sie sich zusammen mit einem Theologen auf eine Reise begeben können, Dinge entdecken und gestalten können.
AA: Früher dachte man eher, dass etwas perfekt sein muss. Für mich ist klar: Es kommt nie zu einem perfekten Abschluss. Vielleicht spürt man an diesem Punkt, dass nun eine neue Generation und mit ihr eine Werteverschiebung da ist.
Ganz hypothetisch: Ihr werdet in den Fünfzigerjahren pensioniert. Wie sieht die reformierte Kirche dann aus?
DJ: Sie hat ein neues Logo! (Gelächter)
FC: Vielleicht bin ich ein Optimist. Aber ich glaube, dass sie sehr vital sein wird.
Ariane Albisser (22) kommt aus dem Kanton Schwyz und studierte in Zürich und Göttingen Theologie. Nun steht der Master in Zürich an.
Francesco Cattani (31) kommt aus Zürich und hat dort bis zum Bachelor Theologie studiert. Für den Master ging er nach Toronto. Im Sommer folgt das Lernvikariat.
David Jäger (37) wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Basel. Besuchte die Kunstgewerbeschule und studierte Philosophie. Im Sommer beginnt er mit dem Lernvikariat.