Mathias Burri: Als Pfarrerin und Öffentlichkeitsperson ist man ziemlich exponiert. Du exponierst dich auf Social Media noch ein bisschen mehr. Warum eigentlich?
Weil ich Social Media eine super Gelegenheit finde, in kürzester Zeit mit unterschiedlichsten Menschen in Kontakt zu kommen. Ich predige nicht auf Social Media, aber es ist für mich ein wichtiger zusätzlicher Kommunikationskanal, so was wie ein grosser öffentlicher Hauskreis.
Ist Social Media sozusagen die erweiterte Kirche? Dein Marketing-
instrument als Pfarrerin?
Das kann man so sagen, ja. Oftmals erhalte ich viele Rückmeldungen von Menschen, die mit der Kirche nichts am Hut haben. Mit Social Media erreicht man Menschen, an die man mit den kirchlichen Angeboten unter Umständen nicht herankommt.
Auf wie vielen Kanälen bist du denn präsent?
Ausschliesslich auf Facebook und Twitter. Wobei ich Twitter erst seit wenigen Monaten nutze. Wegen der Kürze der Zeichen nutze ich Twitter eher für kurze Statements und als News-Kanal und Facebook für Diskussionen.
Wie gestaltest du deine On- und Offline-Balance?
Ich habe keine bewusst gestaltete Balance. Aber ich bin jemand, der Multitasking-fähig ist. Über Alltägliches zu twittern, bedeutet für mich keine Anstrengung. Das geht so nebenher. Einmal am Tag bin ich jedoch immer offline, das ist auf meinem täglichen Spaziergang.
Wann schaltest du am Abend dein Smartphone aus?
Ich schalte mein Handy nicht aus. Am Abend vor dem Einschlafen checke ich sogar nochmals Facebook. Da kann ich irgendwie runterfahren. Ich habe alle Push-Nachrichten ausgeschaltet. Ich will schliesslich ungestört schlafen können. Zudem will ich selbst entscheiden, wann ich meine Kanäle und News checke.
Und am Morgen?
Ja, da checke ich, sobald ich «startklar» bin, als erstes meine Mails und dann Facebook und Twitter.
Wieviel Sibylle zeigst du online?
Viel, sehr viel. Aber in dem Sinn, dass ich mich absolut nicht verstelle, dass ich immer authentisch bin. Ich stehe zu meiner Meinung. Aber ich kommuniziere sehr wenig Privates. Ein sogenannt professionelles Profil finde ich jedoch langweilig und so stelle ich schon auch mal ein Ferienfoto online.
Kann man auf Social Media Privates und Berufliches trennen?
Das Private zu kommunizieren ist das Schwierigste. Das muss sehr gut reflektiert sein. Ich habe zudem verschiedene Freundeskreise auf
Facebook, denen ich unterschiedlich Privates mitteile.
Wie erlebst du Social Media auf der Ebene der Kirchgemeinde?
Ich bin bewusst als Pfarrerin auf Social Media aktiv, das macht die Kommunikation persönlich, im Gegensatz zu einem Kirchgemeinde-Profil, wo man nie genau weiss, wer sein Gegenüber ist. Auch in der Kirchgemeinde können Social Media eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel in der Arbeit mit Konfirmand/innen, aber auch, um auf Anlässe aufmerksam zu machen oder im Nachhinein davon zu berichten.
Muss eine Pfarrerin heutzutage auf Social Media präsent sein?
Nein, sie «muss» natürlich nicht. Ich finde, das ist eine sehr persönliche Angelegenheit und vielleicht auch generationenabhängig. Einige sind sehr aktiv auf Social Media. Andere kommunizieren auf anderen Kanälen. Aus meiner Sicht sollte jemand, der in seinem Alltag bereits Social Media nutzt, von dieser Möglichkeit auch beruflich Gebrauch machen.
Du exponierst dich stark und hältst deine Meinung nicht zurück. Woher nimmst du den Mut dazu?
Ich empfinde mich überhaupt nicht als mutig, werde aber oftmals so bezeichnet. Ich verstehe die Aufgabe der Kirche und damit der Pfarrperson einfach dahingehend, dass sie zu aktuellen Fragen Stellung bezieht.
Hast du auch schon Shitstorms gegen dich erlebt?
Nein. Aber beleidigende Privatnachrichten oder Kommentare gibt es ab und an. Das lässt mich jedoch ziemlich kalt. Kritik hingegen, die berechtigt ist, die beschäftigt mich sehr.
Wie gehst du damit um?
Kritik darf sein. Ich weiss ja nicht, ob ich mit meiner Meinung richtig liege. Und selbstverständlich dürfen sich alle konstruktiv äussern und ihren eigenen Standpunkt kundtun. Dazu nehme ich im Rahmen des Möglichen auch gerne Stellung. Allerdings habe ich keine Zeit, um auf Social Media lange Dialoge zu führen.
Warum soll die Kirche auf Social Media präsent sein?
Die Kirche muss in der Gesellschaft gehört werden. Das geht heutzutage nicht mehr ohne Social Media. Diese Kommunikationskanäle sind eine Riesenchance für die Kirche. Sie könnte allerdings ihre Kompetenz in der Kommunikation über Social Media noch ausbauen.
Sibylle Forrer ist Pfarrerin in Kilchberg ZH und Sprecherin beim Wort zum Sonntag. Sie hatte zum Zeitpunkt des Interviews 1‘746 Freunde auf Facebook und 255 Follower auf Twitter.