von Noemi Heggli

Die Erwartungen an die Studienreise waren hoch. Als Lernvikar:innen hatten wir grosses Interesse daran, uns von neuen Projekten und diesbezüglichen theologischen Gedankengängen inspirieren zu lassen! Wie alle, habe auch ich zu Beginn der Reise einen Fokus gesetzt. Ich wollte mich auf neue Projektideen konzentrieren, welche so oder in ähnlicher Weise Potential für die eigene Kirchgemeinde hätten.

Es gab tatsächlich einige Projektideen, die vorgestellt wurden. Bereits beim ersten Referat von Lorenzo Leijba hörten wir von diversen Ideen und Projekten, die er umsetzte. Er war ein beeindruckendes Vorbild, welches uns sehr viel Mut gemacht hat, Projekte überhaupt anzugehen. «9 von 10 Projektideen scheitern!» Diese Aussage hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt und ermutigt mich seither sehr, zu wagen und zu scheitern. Als Laie darf ich genauso scheitern, wie es anscheinend auch Erfahrene in dem Gebiet tun – was für eine Ermutigung! Auch dass wir unsere Ideen idealerweise strategisch umsetzen sollten, war einleuchtend und hat mir einen Leitfaden an die Hand gegeben. Die Lust an einer Vielfalt an Gestaltungsformen und an konkretem Tätigwerden hat Leijba geweckt. Was mir dabei jedoch fehlte, war die theologische Grundlage der Projekte. Projekte umsetzen ist das eine, das andere, mit welcher Vision und Intention ich dies tue. Was ist unser spezifisch Eigenes, Christliches, Kirchliches? Was nützen uns lässige Angebote, die sich nicht von anderen unterscheiden, gar abheben?

Diesbezüglich war mir der Very Rev. Dr. John Chalmers eine Inspiration. Er hat seinen reichen und langjährigen Erfahrungsschatz mit uns geteilt. Im Anschluss an einen kurzen Rückblick auf kirchliches Denken und Handeln hat er eine theologische Neuorientierung angeboten, die mir vielversprechend schien. Die Menschen seien noch immer spirituell interessiert, auch gläubig, aber die Verbindung mit der Kirche als Institution gehe verloren. Der Dogmatismus habe Menschen vertrieben und vertreibe sie noch heute. Unter dem Stichwort «from dogma to people» hat er auch mich dafür erwärmt, Menschen vermehrt religiös zu bilden und sie zu befreien. Dass wir sie auf eine Entdeckungsreise begleiten und sie die «unconditional love» von Gott erfahren lassen. Wir geben Menschen die Chance, ihren Glauben zu leben, zu teilen und darin zu wachsen. So, dass ihr Glaube eine Bedeutung im eigenen Leben erhält und sie diese Bedeutung für sich erkennen. Wir dürfen sie ganz besonders darin unterstützen, Beziehungen zu leben – zu sich, zu ihren Mitmenschen und zu Gott. Wir sind da, um zuzuhören, feinfühlig zu sein. Dass unser spezifisch Eigenes dabei noch immer der christliche Glaube in all seinen Formen ist, blieb wichtig. Wärme, gemeinschaftliche Erfahrungen, berührende Narrative, Ermutigung, Freude, Lebenslust und Lebensfrust, das alles soll so Platz haben, dass Menschen sich in allen Lebenslagen wohl- und abgeholt fühlen.

Die beiden Referate boten mir in Kombination also schliesslich eine praktische und eine theologische Inspiration, wie Projekte angegangen werden können. Ich sammelte keine konkreten Projektideen, die in meiner Gemeinde anwendbar wären, dafür Visionen und Handwerkszeug. Ich bin überzeugt, wenn wir als Pfarrer/-innen Vision und Methoden verbinden, wenn wir wissen, was und wie wir mit dem christlichen Glauben etwas bieten können, das Menschen in ihrem eigenen Leben bereichert, dann werden die Menschen das  erleben und spüren.

 

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