Tools und Methoden
Tools und Methoden unterstützen Teams und Gruppen dabei, Innovation in der Kirchgemeinde anzustossen. Viele der hier vorgestellten Tools und Methoden sind im Buch "Gemeindeentwicklung in 7 Tagen" beschrieben. Diese ausführlichen Anleitungen und weitere hier vorgestellte Methoden können kostenlos heruntergeladen werden.
Die Wahl des richtigen Tools hängt von der Teamgrösse, der verfügbaren Zeit und der Herausforderung ab. Wir haben die Tools und Methoden in die untenstehenden Kategorien aufgeteilt. Unser Tipp: Einfach mal ausprobieren!
World Café
Das World Café ist eine der jüngeren Formen von Grossgruppen-Methoden. Die Idee stammt aus Kalifornien, USA, von den beiden Coaches Juanita Brown und David Isaacs. Das World Café ist eine partizipative Methode für Gruppen ab 15 Personen. Sie eignet sich zur Ideensammlung und kreativen Lösungssuche und findet in einer ungezwungenen, kaffeehausähnlichen Atmosphäre statt. Ein World Café fördert in wechselnden Gruppen und über mehrere Runden den Austauschprozess unter den Beteiligten und hat zum Ziel, dass daraus neue Erkenntnisse, Ideen und Handlungsmöglichkeiten erwachsen.
Open Space
Die Open-Space-Methode wurde Mitte der 1980er-Jahre von Harrison Owen als innovative Konferenz- und Besprechungstechnik entwickelt. Open Space kann als offener Raum oder Freiraum übersetzt werden und ist eine Methode, die zur Gestaltung von Konferenzen eingesetzt wird. Sie ermöglicht die Arbeit mit Klein- bis Grossgruppen (8 bis 1000 Personen oder mehr). Open Space beruht auf Selbstorganisation, Selbstbestimmung und Abkehr von Kontrolle, maximiert den Einfluss und die Mitwirkungsmöglichkeiten der Teilnehmenden und bietet eine grobe Struktur der Durchführung von Problemlösungsprozessen. Die Methode legt vorher keine Strategie für die Lösung eines bestehenden Problems fest und sie wird insbesondere bei komplexen, drängenden, allseits relevanten Problemen eingesetzt. Eine Session kann einige Stunden oder auch mehrere Tage dauern.
Golden Circle
Veränderung anstossen - aber wie und wo beginnen? Der Golden Circle ist eine Methode, die dabei unterstützen kann. Der Golden Circle stellt die Frage nach dem Warum (WHY) ins Zentrum. Die Frage nach der Identität und dem Kernauftrag ist der Ausgangspunkt, um über die Organisationen nachzudenken und ihre Strategie festzulegen. Aus theologischer Perspektive muss um dieses WHY immer wieder neu gerungen und nach einer inklusiven Mitte gesucht werden.
Diese Methode und viele weitere werden im Buch "Gemeindeentwicklung in 7 Tagen" detailliert vorgestellt und können kostenlos heruntergeladen werden.
→ Anleitung Golden Circle
Die Wohnung der Veränderung
Das Modell der «Vier-Zimmer-Wohnung der Veränderung» bietet Gruppen, Teams, Organisationen und Einzelpersonen die Möglichkeit, die eigene Situation während eines Veränderungsprozesses zu reflektieren. Für die am Veränderungsprozess Beteiligten kann es entlastend wirken, sich gerade in den Zimmern der Verneinung und der Verunsicherung verorten zu dürfen. Zudem können sich die Beteiligten während eines gemeinsamen Veränderungsprozesses gleichzeitig in verschiedenen Zimmern befinden. Veränderungen brauchen Zeit und eine an die verschiedenen Zimmer angepasste Unterstützung, damit alle Beteiligten wieder ihre Eigenkompetenz wahrnehmen können.
Rollenbasiertes Arbeiten
Bei der rollenbasierten Organisation fragt man: Welche Rollen sind für die Erfüllung eines Projekts nötig? Pro Rolle muss folgendes festgelegt werden:
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Titel: möglichst aussagekräftig, gern auch kreativ und ansprechend
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Ziel: ein bestimmtes Ziel pro Rolle
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Zuständigkeitsbereich: Innerhalb welchen Bereichs kann die Rolle Entscheidungen treffen?
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Verantwortung: Welche Entscheidungen kann die Rolle selbständig treffen?
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Zeitaufwand: Wie viel Zeit benötigt die Erfüllung der Aufgaben?
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Schnittstellen: Mit welchen Rollen, die sich in bestimmten Aspekten mit der Rolle überschneiden, müssen jeweils informiert/involviert werden?
Die Rollen werden im Team gemäss Fähigkeiten verteilt. Eine Person kann mehrere Rollen haben. Die Beschreibung einer Rolle kann im Verlauf des Prozesses angepasst werden. Rollen können im Verlauf des Prozesses neu verteilt werden. Wenn das Ziel der Rolle erreicht ist, dann wird sie abgeschafft.
Ecclesiopreneurship Canvas
Die Ecclesiopreneurship Canvas für Gemeindeentwicklung und Innovation ist ein Arbeitsinstrument für Gründer:innen von pastoralen Start-ups und Innovationsprojekten. Die Canvas leitet in 9 Schritten an. Beantwortet werden folgende Fragen: Wem bieten wir einen Nutzen? Wie erreichen wir unsere Nutzergruppen? Welche Arten von Beziehung werden erwartet? Welche bestehen schon? Wie erreichen wir unsere Nutzergruppen? Für was sind unsere Nutzer bereit etwas zu geben? Wie viel? Was und wie viel geben sie bereits? Was müssen wir gut können, um das Nutzenversprechen wie beschrieben einzulösen? Welche Ressourcen benötigen unser Nutzenversprechen, unsere Kommunikations- und Zugangswege, unsere Nutzerbeziehungen und Einnahmequellen? Wer sind unsere für das Gesamtkonzept wichtigsten Partner? Welche sind die wichtigsten Kostenfaktoren? Welche Schlüsselaktivitäten und Schlüsselressourcen sind die teuersten? Die Canvas kann als Poster bei zhref.ch bestellt oder kostenlos als pdf heruntergeladen werden.
Aufwand und Ertrag
Ähnlich wie mit der Exnovation-Canva kann auch mit dieser Methode relativ rasch evaluiert werden, ob es sich lohnt ein Angebot oder ein Produkt weiter anzubieten oder ob es begraben werden kann. Hängt der Baum voller Äpfel, die nachgefragt werden? Weitermachen. Ist die Ernte mager und es braucht viel Effort, um auch nur ein paar Früchte zu ernten? Aufhören.
Exnovation-Canvas
Die Exnovation-Canvas unterstützt den Prozess des Aufhörens. Ist das Thema/Angebot, was aufgehört werden soll, gewählt, werden Teams in sechs Schritten durch den Prozess geführt. Gemeinsam werden Fragen beantwortet wie: Warum gab es das Angebot? Was hat sich verändert? Soll es durch etwas anderes ersetzt werden? Welches sind die nächsten Schritte? Hat es Nachteile wenn es das Angebot nicht mehr gibt? Welche Vorteile und Chancen ergeben sich, wenn das Angebot beendet wird? Sind alle Fragen beantwortet, sind genügend Informationen gesammelt, um zu entscheiden, ob ein Angebot beendet werden kann.
Design Thinking
Ideen können besser entwickelt und Probleme optimaler gelöst werden, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem kreativitätsfördernden Umfeld zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung entwerfen, die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen berücksichtigen und dann Konzepte entwickeln, die mehrfach geprüft werden. Das Verfahren orientiert sich an der Arbeitsweise von Designern. Das Wort Thinking steht dafür, dass der Nutzen, die Umsetzbarkeit und die Wirtschaftlichkeit der neuen Idee gleichgewichtig systematisch untersucht werden.
Sozialraumanalyse - Daten und Fakten
Kennen wir den Sozialraum unserer Kirchgemeinde? Können wir ihn mit genauen Daten und Fakten beschreiben? Oder schätzen wir ihn rein subjektiv aufgrund unserer eigenen Erfahrung ein? Bei der Zukunftsplanung und im Umgang mit den Herausforderungen der Gegenwart kann es lohnenswert sein, neutral bei den Fakten zu bleiben.
Sozialraumanalyse - Lebenswelten
Nicht nur das Schwarz-Weiss-Bild einer Familie aus den 1950er-Jahren muss heute durch das Bild einer bunt zusammengewürfelten Familie ersetzt werden. Ebenso greifen soziologische Begriffe wie Arbeiterschicht, Mittel- oder Oberschicht nicht mehr, denn unsere Gesellschaft hat sich vielfältig ausdifferenziert oder verwässert. Sie ist nicht mehr mit einfachen und trennscharfen Kategorien zu beschreiben.
Sozialraumanalyse - Sozialraumsafari
Wie können wir den seit Jahren bekannten Sozialraum unserer Kirchgemeinde mit frischem Blick anschauen? Welche Orte ziehen Dich an? Wo fühlst Du Dich wohl? Welche Orte meidest Du eher und weshalb? Und an welchen Orten könnte Kirche stattfinden?
Arbeiten mit Prototypen
Unsere Herangehensweise an eine Herausforderung ist oft: Wir haben ein Problem, wir denken uns eine Lösung aus, wir setzen die Lösung um. Das funktioniert, wenn wir wissen, was wir warum für wen in welchem Umfeld tun. Wir können Schritt für Schritt auf das Ziel zugehen. Wenn wir in der Kirchgemeinde etwas Neues ausprobieren, wissen wir aber oft nicht alles, was wir wissen müssten. Auch hier gehen wir Schritt für Schritt vor. Aber nicht im Modus «wir wissen», sondern im Modus «wir probieren aus». Was wir lernen, fliesst in den nächsten Schritt ein. Wir testen die Änderung wieder mit Menschen. Ihre Rückmeldungen wirken auf unsere nächsten Schritte. Wir haben ein Ziel, doch es entwickelt sich ständig, weil wir mehr Wissen, mehr Ideen, mehr Feedbacks generieren. Das Neue entsteht nachvollziehbar Schritt für Schritt. So funktioniert Arbeiten mit Prototypen.
Ambidextrie als Grundhaltung
Der Begriff der organisationalen Ambidextrie oder der «Beidhändigkeit» wurde 1976 durch den amerikanischen Organisationsdesigner Robert B. Duncan erstmalig erwähnt und bezeichnet die Fähigkeit von Organisationen, sowohl effizient als auch innovativ bzw. flexibel zu sein, um durch zwei unterschiedliche Vorgehensweisen mit dynamischen und komplexen Herausforderungen umzugehen.
Für die Kirche bedeutet dies einerseits Bestehendes zu verbessern und andererseits durch Experimentieren und flexibles Handeln neue Formen von Kirche zu entwickeln und Veränderung anzustossen. Ambidextrie ist also keine Methode, sondern vielmehr eine Grundhaltung, mit welcher langfristig das Überleben der Kirche gesichert werden soll.
Diese Grundhaltung der Beidhändigkeit kann unterstützt werden mit verschiedenen Methoden. Darunter Methoden, die mit strategischen Schwerpunktsetzungen in Kirchgemeinden, mit Priorisierungen, Innovation und Exnovation zu tun haben. Mögliche Methoden sind in der Toolbox von Liberating Structurs unter «Strategie entwerfen» zu finden.
Mehr zur Ambidextrie in der kirchlichen Arbeit gibt es in folgenden Artikeln zum Nachlesen:
- Christopher Scholz (Leiter IPOS): Ambidextrie: Mit beiden Händen in die Veränderung der Kirche
- Philipp Ehlhaus (midi), Mit beiden Händen geht es besser
- Thomas Schaufelberger (A+W): Exnovation in der Kirche. Der adaptive Kreislauf