Erster Schwerpunkt: Zielkonflikte und Rollendiffusität. Wir begleiten Menschen bei der Suche nach Zielen, Lösungsideen oder nach Kraft zum Aushalten. Aber als Beratende haben wir auch Ziele: Sind sie mir bewusst? Welche sind legitim, welche nicht? Oft ist unsere Rolle diffus – wir sind Seelsorgende, aber wir können nicht alle Ideen des Gegenübers unterstützen, nicht in der Seelsorge, aber auch sonst nicht immer. Wie gehen wir vor, wenn wir institutionelle oder pfarramtsbedingte Zielvorgaben vertreten müssen? Der Kurs gibt Hilfestellung zum Erkennen von Rollendiffusität und Zielkollisionen. Wie gehe ich transparent und einvernehmlich mit Zieldivergenzen zwischen mir und dem Gegenüber um, ohne das Arbeitsbündnis in der Seelsorge oder die Zusammenarbeit in anderen Situationen zu gefährden?
Zweiter Kursschwerpunkt: Umgang mit dysthymen Klient:innen. Oft haben wir es mit schwierigen, stets klagenden und anklagenden Menschen zu tun. Wie halten wir das aus, wie gehen wir vor, sodass wir auch an solchen Seelsorgegesprächen Freude haben können? Wir üben im Rollenspiel den Umgang mit dysthymen Klient:innen, bilden Hypothesen zur Psychodynamik der Dysthymie, leiten daraus unser Vorgehen ab und gestalten die situationsbezogenen Interventionen. Wir beobachten unser eigenes Erleben während des Gesprächsverlaufs und analysieren unsere Reaktionsmuster (Übertragung und Gegenübertragung). Wir untersuchen auch das – oft nicht ausgesprochene – Beziehungsangebot vonseiten des Gegenübers und stimmen unser Vorgehen darauf ab. Wir reagieren nicht unreflektiert als Privatperson. Wir lernen das professionelle «Holding» und «Containing» als Voraussetzung für eine akzeptierende, liebevolle Haltung auch in belastenden Kontakten. Zentral ist die Kombination von psychologischem Wissen und dessen fallbezogen gestalteter rhetorischer Umsetzung. Die Fallbeispiele werden auf Video aufgezeichnet und analysiert. Das Vorgehen erfolgt nach dem 3-Stufen-Modell: Hypothesenbildung, Interventionsplanung und Interventionsrhetorik. 50 Prozent Theorievermittlung und 50 Prozent Übungen anhand von mitgebrachten Fällen oder eigenen Problemsituationen.
Die Teilnehmenden
- werden befähigt, zu unterscheiden zwischen Situationen, in welchen es geboten ist, die Ziele des Gegenübers zu unterstützen, und solchen, die hinterfragt werden müssen;
- können zwischen Privatmeinung und einer objektiv notwendigen Zielgestaltung unterscheiden;
- gehen lösungsorientiert mit Zieldivergenzen um – in der Seelsorge wie in Situationen ohne beratenden Charakter;
- erwerben psychologisches Rüstzeug zum Umgang mit schwierigen, klagenden und anklagenden Menschen, die an ihrer Situation nichts ändern können oder wollen;
- lernen, mit Aggressionen des Gegenübers umzugehen, weil sie fähig sind, diese hypothetisch in den biografischen Hintergrund des andern einzuordnen. Diese akzeptierende Haltung soll den Seelsorgenden helfen, auch unbequemen Menschen liebend zu begegnen und diesen eine neue Beziehungserfahrung zu ermöglichen.
Reformierte Kirche Kt. Zürich, Hirschengraben 7, 8001 Zürich
Christina Tuor-Kurth, LOS-Trainerin, Titularprofessorin Uni Basel, MAS Psychologische Beratung (IAP Zürich)