es bloggt Jacques-Antoine von Allmen

6. und 7. Tag - Glasgow, die Iona- Community in der Kirche und in der Welt

 

Samstagabend, wir kommen ins Hotel zurück. Der Rezeptionist fragt uns, was wir an dem Tag besucht haben. Unsere Antwort: Govan. Er verwirft die Hände «um Heavens sake, what did you see in Govan?»

Nein, wir haben nicht das Fussballstadion besucht (aus seiner Sicht das einzig Sehenswürdige in Govan). Kathrin nahm uns mit zu einer kleinen Pilgerwanderung durch dieses heruntergekommene Quartier, einst das stolze Zentrum der britischen Schiffahrtsindustrie. Wir trafen zuerst einige Mitglieder des Iona-Office im ehrwürdigen Sitzungszimmer des Direktion einer der Schiffswerfte. Zur Blütezeit arbeiteten bis 90'000 Arbeiter hier im Dreischichtbetrieb. In diesem Quartier wirkte in der Zeit der Grossen Depression in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts Pfarrer George MacLeod. Er sah die Not der arbeitslosen Werftarbeiter, baute mit ihnen und Theologiestudierenden die Iona-Abbey wieder auf und gründete die Iona-Community. Am Schluss des Pilgerwegs besuchten wir «seine» Kirche Govan Old (Bild 1). Zusammen mit der begabten Carol sangen wir zum Schluss im Direktionsraum Lieder der Iona-Community mit ihren melancholischen schottischen Melodien.

Am Sonntag besuchten wir den Gottesdienst in einem anderen Problemquartier: Gorbals (Bild 2). Die Kirche hat keine ständige Pfarrperson mehr. Es gestalten Laiengruppen die Sonntagsgottesdienste, angeleitet von einigen pensionierten Pfarrpersonen, die im Quartier leben. Es war anfangs eine rechte Umstellung für die Gemeinde, doch jetzt überwiegen die positiven Stimmen zu diesem System: Die Gottesdienste leben viel stärker als in der Vergangenheit von den Glaubenserfahrungen der Leute im Alltag. Ein Modell, das auch in der Schweiz zu prüfen wäre.

5. Tag - Iona, Gemeinschaft über Grenzen

 

In Iona waren wir zusammen mit Gruppen und Einzelgästen aus England, den Niederlanden, den USA und Hong Kong – Presbyterianer/Reformierte, Anglikaner, Quaker… Hier die Eindrücke von Marco Wehrli

In Iona ging es um die Gemeinschaft. Den Geist, der Gemeinschaft lebendig werden lässt. Beim Essen, bei unseren täglichen Aufgaben, bei den Ausflügen oder manches Mal während der Feiern boten sich uns Gelegenheiten mit anderen Gästen ins Gespräch zu kommen. So sprach ich mit Marianne, Cathiona, Ryan, Chip, oder Andrew und wie sie alle hiessen. Marianne zum Beispiel wirkt in der Kommunität für einige Monate als Freiwillige. Die junge Dänin wirkt zu Hause als Pfarrerin in einer lutherischen Gemeinde. Mit schwarzem Talar und weissem weisser Halskrause. Die britische Ruheständlerin Cathiona war einst in der National Health Care als Fachfrau Gesundheit im Einsatz. Ryan und Chip nahmen wie wir als Gäste an der Kommunität teil. Die Amerikaner haben zusammen in Princeton Theologie studiert. Der eine wirkt als Pfarrer in der Nähe von Philadelphia, der andere einige 100 km von ihm entfernt in der Agglomeration von Detroit. Beides sind Presbyterianer. Ryans Gemeinde besteht aus 600 Mitgliedern. Rund 250 nehmen jeweils an den Gottesdiensten teil und die Gemeindemitglieder übernehmen viele Aufgaben, die bei uns vom Sozialstaat übernommen werden: Sie kümmern sich um Obdachlose, Flüchtlinge und betreiben Suppenküchen in den Strassen. Braucht jemand Handwerker oder sonstige Hilfe, können sie auf ein Netzwerk an hilfsbereiten Mitgliedern zurückgreifen. Von noch mehr solcher Begegnungen liesse sich erzählen. Doch dafür sitzen wir lieber einmal bei einer Tasse Tee und einen Stück Kuchen zusammen.

Jetzt heisst es Farewell sagen und für manche: Bis zum nächsten Mal in Iona.

Iona Tag 5-1

4. Tag - Schöpfungspsalmen und Schöpfungserlebnis

 

Am Morgen wurden wir eingeladen, Handlungsmöglichkeiten gegen die Klimakrise zu entwerfen und unsere Anliegen in der Form eines Psalms zu formulieren. Eines bekam einen grafischen Ausdruck (Bild), andere kamen als Texte daher.

 

Die Klage des Gletschers

Zu Hilfe! Mir ist heiss / und ihr Menschen nehmt es / achselzuckend, wehmütig höchstens / zur Kenntnis.

Zu Hilfe! Ich verschmachte / und ihr Menschen kleine Götter / ohnmächtige Zauberlehrlinge / baut das nächste Gaskraftwerk.

Zu Hilfe! Ich verschwinde / und wo wollt ihr Menschen / Wasser kriegen in der Hitzewelle?

O Gott, rette mich! / Gib den Menschen / Augen für die Dringlichkeit / Willen, Neues zu wagen / Hände, zusammen anzupacken.

 

Am Nachmittag bei herrlichem Wetter der Ausflug auf die vulkanische Insel Staffa mit ihren Höhlen aus Basaltsäulen. Da fühlt man sich als Mensch ganz winzig.

Dazwischen pflegte unsere Gruppe ihre Coronakranken. Eine andere Erfahrung von Gemeinschaft…

3. Tag - Pilgerwanderung: erste Annäherung an keltische Spiritualität

 

Heute pilgerten wir zur Bucht, an der Colomba 567 mit seinen 12 Gefährten an Land ging. Eine gute Gelegenheit, die Insel abseits des Dorfes zu erkunden. Die 2,7 Milliarden Jahre alten Felsen lassen einen ganz klein und unbedeutend erscheinen. Die Insel kennt ein ähnliches System von gemeinschaftlich genutzten Weiden, wie bei unseren Alpen. Über Jahrhunderte wurden Streifen Land entfeuchtet und mit Algen gedüngt. Im letzten Teil der Wanderung plagten uns winzige Mücken – wie gut gibt es eine fleischfressende Pflanze, die ihnen zu Leibe rückt (Drosera Anglica).

Gestern begannen wir unsere Reflexion, was die immer wieder genannte keltische Spiritualität eigentlich ist. Unser vorläufiges Fazit: Sie ist eine kontextuelle Spiritualität. Sie schöpft zwar aus mittelalterlichen Erzählungen und Biografien, aber sie hat nicht den Anspruch, bloss eine historische Tradition weiter zu tragen. Es ist eine lebendige Spiritualität, die sich seit dem späten 19. Jahrhundert und bis heute in einer religiöse Dichtung ausdrückt. Es ist vornehmlich eine Schöpfungsspiritualität (bekannt sind die irischen Segen voller Bilder aus der Natur), aber auch eine Befreiungsspiritualität. Das war mir nicht bewusst: Im 19. Jahrhundert wurden die Bauern aus ihrem Land in den Highlands zugunsten der grossflächigen Schafzucht vertrieben (Highlands Clearances). Damit verbunden war auch die Unterdrückung der irisch-schottischen Traditionen. Das war der fruchtbare Bodensatz für die «keltische Dämmerung» ab dem Ende des 19.Jahrhunderts, die keltische Traditionen und die gälische Sprache wieder belebte.

Iona_Bucht von Colomba

An dieser Bucht ging Colomba 567 mit seinen 12 Gefährten an Land.

2. Tag - Columba: ein Ruf zum Handeln

Wir erkunden heute, was das Leben des Heiligen Columba dem Älteren (Colum Cille) bedeuten kann für unser Engagement heute.

Geboren in einem adligen Geschlecht Irlands im frühen 6. Jahrhundert, wird er von der Familie zum Mönch bestimmt. Hochbegabt, aber auch extrem stolz, er begehrt eine wichtige Handschrift seines Lehrers. Ertappt beim verbotenen Abschreiben, er muss vor dem königlichen Gericht erscheinen. Nach seiner Verurteilung zettelt er einen Aufstand seiner Sippe gegen den König, 3000 Menschen sterben bei seiner Niederlage. Er wird zum Exil gezwungen und landet mit 12 Gefährten in Iona und gründet hier das Kloster, das sich schnell zu einem Zentrum der Bildung und Kultur in Schottland entwickelt. Columba wird selber zum Königmacher Schottland und zum Vermittler bei Streit unter Sippen.

Columba wurde durch seine Verurteilung beleidigt – wie gehen wir mit Beleidigung um?

Er zettelt darauf einen Krieg – wo sind wir mitverantwortlich für Konflikte?

Columba ist zur Flucht gezwungen – was passiert, wenn wir aus einer verfahrenen Situation fliehen müssen?

Wie können unsere communities eine Ausstrahlung wie das mittelalterliche Kloster Iona entwickeln?

Wenn wir in einer Machtposition sind, wie üben wir sie aus, verglichen mit Columba nach seiner «Bekehrung»?

Und vor allem: Wie schaffen wir es, unsere Haltung komplett zu ändern, nachdem diese uns zum Scheitern geführt hat?

Iona_Tag 2

Heiliger Columba (Colum Cille)

1. Tag - Ora et Labora

Am Samstag 20. August erreichte unsere Gruppe von Pfarrer:innen Iona. Iona will verdient werden: Zuerst der Flug nach Schottland, dann Bus (statt dem bestreikten Zug) nach Oban, Fähre hinüber auf die Insel Mull, Busfahrt auf einspuriger Strasse quer über die Insel Mull, zuletzt die Fähre hinüber nach Iona.

In der alten Abtei leben wir zusammen mit 40 weiteren Gästen (aus dem Vereinigten Königreich, den USA, Hong Kong) und etwa 25 Community-Mitgliedern, Angestellten und Freiwilligen, die den Betrieb sicher stellen. Was tun wir hier? «Zeit und Raum haben, um das Leben in Gemeinschaft zu erleben und das Hier und Jetzt zu erkunden durch kreativen Ausdruck und gemeinsamer Reflektion über Inklusion, Nachhaltigkeit und gegenseitiger Verantwortlichkeit.» Die Woche ist rhythmisiert von den liturgischen Feiern in der ehrwürdigen Abteikirche und durch die gemeinsame Arbeit – mit einem Kollegen wurden wir angewiesen, wie wir täglich die Toiletten neben dem Shop reinigen sollen.

Einfach hier zu sein an diesem wunderbaren Ort zwischen Himmel, Erde und Meer, berührt mich sehr. Hier, wo durch Columban den Älteren im sechsten Jahrhundert die grosse Bewegung der iroschottischen Mönche ausging, die dem germanischen Europa das Evangelium brachten – bis nach St. Gallen und weiter…