Liebe Leser:innen
Das Wörtchen «einfach» hat es schwer: Gar nicht so einfach, den vielen Bedeutungsebenen und Verwendungszwecken gerecht zu werden! Wir haben es in diesem Heft trotzdem versucht. Wann wird ein Text banal, wenn man ihn zu stark vereinfacht? Wo wird ein Möbel erst gut, wenn man Komplexität weglässt? Eine, die dafür wirbt, «einfach mal zu machen», ist Nadja Schnetzler. In ihrem Text bringt sie uns das «Prototyping» näher, bei dem genau eine solche mutige Pionier-Haltung gefragt ist, um am Schluss auf gute Ideen zu kommen. Als Bouquet nehmen uns zwei Theologen mit in ihre Überlegungen, bis wohin ein einfacher Glaube uns trägt und wo wir uns allmählich der «Kippkante des Einfältigen» nähern.
Minimalistisch grüsst
Barbara Schlunegger, Projektleiterin Nachwuchsförderung Theologie
Einfach glauben, ein Leben mit Vertrauensvorschuss. Das ist die Erfahrung vieler Menschen. Einfach glauben kann auch ein fundamentalistisches Versprechen sein. Eine Annäherung an die kritische Kante des Glaubens, über der er ins Naive oder Überkomplexe kippen kann.
Von Thorsten Dietz und Andreas Loos
Einfach (mal) glauben ist zutiefst menschlich, weil es für den Probiermodus steht, der uns eigen ist: sich auf etwas einlassen und schauen, was passiert. Einfach zu glauben kann aber auch heissen, schlicht und genügsam zu glauben. Es geht um das individuelle Gespür dafür, ab wann ich mich – auch intellektuell – unnötig überfordere. Wer sein Gespür dafür kultiviert, kann frei mit denen umgehen, die uns vorgeben wollen, was und wie wir (nicht) zu glauben haben.
Etwas zu glauben (faktual), jemandem zu glauben (vertrauend-fiduzial) und an jemand zu glauben (hingebend-existenziell), sind drei Grundformen, die auch im religiösen Glauben zusammenspielen. Wenn wir uns glaubend auf Gott beziehen, schwingt mindestens die Gewissheit mit, dass Gott vertrauenswürdig ist. Ohne derartige Glaubensinhalte für gerechtfertigt und wahr zu halten, können wir uns kaum mit Gott in Beziehung setzen.
Glauben und zweifeln
Aber der Glaube entsteht nicht durch theoretische Reflexion und wird durch sie auch nicht in die Zukunft getragen. Wir machen nämlich die Erfahrung, dass wir uns auf unser Wissen nicht verlassen können, weil es über kurz oder lang an seine Grenzen stösst. Oft sind es gar nicht denkerische Hindernisse, sondern Widerfahrnisse von aussen, die unseren Glauben in Zweifel ziehen und anfechten: Neues, Unbekanntes, Leid- und Notvolles.
Einfach glauben heisst dann, Gefühlen zu folgen, die tragen, und einstweilig Asyl in der Ignoranz zu beantragen. Eine Trotzgefühl vielleicht, dass Gott mit mir noch nicht zu Ende ist. Eine Erinnerungszuversicht, dass es – wie schon so oft – gut kommt. Die Neugier, wie anders ich in Zukunft über mich, die Welt und Gott denken könnte. Oder auch die Gross-
zügigkeit mit mir selbst, die Statik des Glaubens nicht durchrechnen zu müssen, um mich davon tragen zu lassen.
Und was, wenn jemand aus Mangel an anderen Optionen erst mal gar nicht anders kann, als weiter an Gott zu glauben? Wäre das die letzte Stufe der Einfachheit? Eine riskante Übergangsphase mit der leisen Ahnung, dass die Glaubensoptionen wieder positiver, vielfältiger und weiter werden? Solche und andere Einfachheiten halten uns das Ja zum Leben und zu Gott offen.
Glauben als Willensbefehl
Kann die Theologie Menschen helfen, einfach zu glauben, ohne einfältiger Ignoranz zu verfallen? Einfach glauben, ein Leben mit Vertrauensvorschuss – das ist die Erfahrung vieler Menschen. Einfach glauben – das kann auch ein fundamentalistisches Versprechen sein. Das Versprechen, dass nicht nur Glaube etwas Einfaches ist, sondern dass der Glaube alles einfach macht. Der Kippkante zum Einfältigen nähert man sich, wenn «einfach glauben» ein frommer Willensbefehl wird, bei dem Verstand und Gefühle abzuschalten sind. Ein solch angstgeleiteter Glaubensschutz ist ohne Realitätsverlust wohl nicht zu haben.
Hinter dem Satz «Du musst halt einfach glauben!» verbirgt sich im besten Fall die eigene Hilflosigkeit gegenüber einer anderen Person, oft aber auch Empathielosigkeit für diejenigen, die als neugierige Frager oder Grüblerinnen anders verdrahtet sind. Im schlimmsten Fall verdoppelt man übergriffig die Last derer, die aufgrund entsprechender Erfahrungen nicht mehr glauben können, selbst wenn sie wollten.
Vereinfachung geschieht da, wo die Wahrheit des Glaubens eine Sache des Fürwahrhaltens wird, egal, um welchen Lebensbereich es geht. Vereinfachung ist da gegeben, wo das christliche Handeln in jedem Problem einfachen Regeln folgen soll. Solche Vereinfachungen fühlen sich zuerst wie eine Entlastung an. Sie bieten Klarheit und Eindeutigkeit. Nur: Das Leben mit Vereinfachungen kann auf Dauer ganz schön kompliziert werden.
Vermeintlich einfacher Glaube wird auf Dauer höchst kompliziert, wenn er mehr leisten soll, als er kann: Wenn seine Wahrheit der Schlüssel zu allem Wissen werden soll, seine Regeln für jede Frage klare Antworten bieten müssen, dann gerät dieser vereinfachte Glaube immer mehr in Konflikt mit der Realität. Ihn aufrechtzuerhalten erfordert immer angestrengtere Bemühungen der Apologetik und vor allem der Verdrängung.
Glaube ausprobieren und annehmen
Gute Theologie ist Anwältin des einfachen Glaubens. Zugegeben, man traut es der Theologie nicht immer zu. Manchmal möchte man meinen: Wo es die Kunst vermag, das Schwere leicht aussehen zu lassen, schafft es die Theologie, das Leichte schwer zu machen. Aber das ist ein Missverständnis. Ja, Theologie arbeitet mit Unterscheidungen. Und für die Präzision dieser Unterscheidungen benötigt sie Begriffe. Und je vielfältiger die Unterscheidungen, desto komplexer und auch abstrakter wird die Begrifflichkeit.
Aber als Reflexion des Glaubens weiss die Theologie um die Muttersprache des Glaubens. Glaube entsteht nicht durch Reflexion, sondern im Umgang mit den biblischen Erzählungen von Gottes Freundlichkeit, mit Gottesgeschichten, die von der einfachen Bejahung des Menschen handeln: «Der Sohn Gottes, Jesus Christus (…), war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist das Ja Wirklichkeit geworden.» (2Kor 1,19) Einfacher Glaube wächst im Sicheinlassen auf Rituale, im gemeinsamen Singen, Tanzen, Schweigen, in der Hoffnung auf das Reich Gottes, die der Glaube ausprobiert und «annimmt wie ein Kind» (Mk 10,15). Im Umgang mit den religiösen Bildern der Geborgenheit und der Befreiung entwickelt sich der Mut zu einem veränderten Leben, das nicht durch ein kompliziertes, drückendes Joch bestimmt ist, sondern durch das Versprechen der Einfachheit: «Meine Last ist leicht.» (Mt 11,39)
Dr. Thorsten Diez ist Projektleiter Evangelischer Theologiekurs
thorsten.diez@zhref.ch
Dr. Andreas Loos ist Projektleiter Bibel, Theologie und Lebensfragen
andreas.loos@zhref.ch
Thorsten Dietz und Andreas Loos arbeiten beide als Projektleiter bei Fokus Theologie. Ihr Auftrag ist es, Erwachsenenbildung in der Deutschschweiz auf kantonalkirchlicher Ebene und in den Kirchgemeinden zu fördern und mit Materialien zu unterstützen.
www.fokustheologieref.ch
Viele Texte sind überkomplex verfasst. Das verstehen längst nicht alle. Leichte Sprache hilft, dass Botschaften bei den Adressat:innen ankommen. Heimito Nollé übersetzt Schwurbeltexte. Er macht sie lesbar: Kurze Sätze. Aktiv formuliert. Keine schwierigen Wörter.
Von Juliane Hartmann
Juliane Hartmann: Herr Nollé, Sie übersetzen jeden Monat für das Magazin bref einen Text in «leichte Sprache». Welches Ziel verfolgt bref mit dieser Kolumne?
Heimito Nollé (HN): Mit den Übersetzungen wollen wir zeigen, wie überkomplex , verschwurbelt oder schlicht schlecht geschrieben manche Texte sind. Dies können Medienmitteilungen, Texte von Landeskirchen oder auch theologische Texte sein. Daneben soll es auch ein wenig lustig sein.
Wie haben Sie gelernt, Texte in einfache oder leichte Sprache zu übersetzen, und nach welchen Kriterien arbeiten Sie?
HN: Ich bin Autodidakt. Es macht Spass und zugleich ist es auch anstrengender, als normale journalistische Artikel zu schreiben. Grundsätzlich kann das jede und jeder lernen – es ist schlicht Übungssache. Für «leichte» Sprache gibt es Regeln: kurze und einfache Sätze schreiben, keine Nebensätze, mehr Verben, weniger Substantive, aktiv formulieren. Komplizierte Wörter werden ersetzt oder erklärt. «Einfache» Sprache ist weniger radikal: Einfache Nebensätze sind erlaubt und der Wortschatz ist grösser. Der Übergang zwischen beiden Formen ist fliessend.
Gibt es eine Grenze, wo Sie sagen: Das ist zu komplex, das lässt sich nicht in einfache oder leichte Sprache übertragen?
HN: Ja sicher, komplexe theologische Texte, wie zum Beispiel von Karl Barth. Finessen und Details in Gedankengängen zu übertragen, das ist nicht wirklich möglich. Zugleich stellt sich allerdings auch die Frage: Welches Ziel hat eine Übertragung und wer soll damit angesprochen werden? Die klassische Zielgruppe leichter Sprache liest das bref ja nicht.
Oft wird kritisiert, dass leichte Sprache Inhalte banalisiere. Sehen Sie beim Übersetzen in dieser Hinsicht ebenfalls Probleme?
HN: Der Vorwurf ist begründet – ein Text kann unterkomplex werden. Die Rubrik im bref ist Spielerei – doch wenn man wirklich Texte in leichter Sprache für spezifische Adressat:innen schreibt, muss man sich auch fragen: Was könnte die Menschen interessieren? Was ist wichtig für sie? Das sind Themen aus dem praktischen Leben und weniger theologische Theorien. Und dann gilt auch: Ironie lässt sich nicht übersetzen. Und ebenso alles, was mit Sprache selbst zusammenhängt, wie auch die literarische Qualität eines Textes: Beides kann man nicht übersetzen. So geht beim Übersetzen einiges verloren. Leichte Sprache eignet sich primär dazu, Informationen zu übermitteln oder eine Geschichte zu erzählen.
Sie beschreiben die Grenzen der leichten Sprache und auch den Verlust, den der Gebrauch mit sich bringt. Sehen Sie auch Aspekte, die ein Zugewinn sind?
HN: Auf jeden Fall: Vereinfachung kann auch positiv sein. Vor allem, wenn Texte einfach nicht gut geschrieben sind. Nehmen wir als Beispiel Medienmitteilungen vom Bund. Sie sind oft so kryptisch, dass man sie erst dechiffrieren muss. In unserer Rubrik wird ein Text oft lustig zurückgespiegelt, sodass Lesende sich fragen: Muss das so verschwurbelt geschrieben werden? Wir schreiben ja nicht für die eigentliche Zielgruppe der leichten oder einfachen Sprache, sondern vielmehr für diejenigen, die solche Texte verfassen, seien es Kommunikationsabteilungen oder Theologinnen und Theologen.
Wie suchen Sie die Texte aus?
HN: Ich bin täglich mit kirchlichen Texten konfrontiert und da fallen mir oft Sachen auf. In einer deutschen Landeskirche gibt die Kirche Tipps, wie Pfarrpersonen die Fussball-Weltmeisterschaft thematisieren können. Dies wird so albern geschildert, dass schon der Ursprungstext komisch ist. Auch unter theologischen Texten gibt es Perlen. Allgemein versuche ich, die Textsorten zu variieren.
Und wie gehen Sie beim Übersetzen konkret vor?
HN: Als ich mit den Übersetzungen angefangen habe, wurde mir schnell deutlich, dass ich viel zu nahe am Text bin. Ich hatte das Gefühl, dass jede Information am Schluss wieder enthalten sein muss – doch wesentlich war die Frage nach der Grundbotschaft. Und dann brauchte ich Mut zum Weglassen: mit der «Machete» durchgehen und mir überlegen, was für die Lesenden wichtig sein könnte. Ebenfalls wurde mir klar: Ich muss den Text wirklich verstehen. Oft meinen wir zu verstehen, lesen oberflächlich und orientieren uns am Zusammenhang. Doch wenn man in leichte Sprache übersetzen will, muss man wirklich alles bis ins letzte Detail verstanden haben, sonst funktioniert es nicht. Darum muss man die Texte gut lesen – das klingt banal, ist aber wichtig. Und dann mache ich kleine Textblöcke, weil Texte in leichter Sprache viel länger werden. Darum ist eine optische Gliederung wichtig.
Was finden Sie besonders herausfordernd?
HN: Auf Nebensätze zu verzichten. Und der Anfang ist auch schwierig: Welche Information ist als Einstieg geeignet? Danach geht es einfacher weiter. Bei theologischen Texten ist immer wieder die Frage: Wie einfach kann ich das ausdrücken? Verständlichkeit ist das oberste Kriterium.
Hat das Verfassen der Kolumnen einen Einfluss auf Ihr sonstiges Schreiben?
HN: Für den Journalismus auf jeden Fall: Aus einer Medienmitteilung eine Newsmeldung zu machen, ist auch eine Übersetzung. Insofern habe ich profitiert und werde nun auch in diesen Texten einfacher und verständlicher.
Wo könnte einfache Sprache in Theologie und Pfarramt relevant sein?
HN: Es ist grundsätzlich eine gute Übung, sich auch in wissenschaftlichen und theologischen Texten um eine einfache Sprache zu bemühen. Und Kirchgemeinden können Angebote, die alle ansprechen sollen, in eine entsprechende Sprache bringen. Einfache Sprache richtet sich auch an Menschen mit einem anderen sprachlichen Hintergrund – nicht nur an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
Könnte das Trainieren von Schreiben in leichter Sprache das Predigtschreiben verbessern, oder würde es eher eine Banalisierung bewirken?
HN: Nicht jeder Versuch sich einfach auszudrücken, ist eine Banalität. Vielmehr hilft es, die eigenen Gedanken zu klären – und auch beim Predigtschreiben lohnt es sich, auf die Kernbotschaft zu achten. Wenn die nicht klar ist, trickst man mit unklaren Formulierungen oder abgenützten Bildern. Da ist diese Übung hilfreich. In unserer Kultur herrscht eine Angst vor Banalität. Bei der Lektüre theologischer Texte merke ich oft das Bemühen, möglichst bedeutungsvoll zu sein. Einfach ist für mich darum kein Schimpfwort, sondern vielmehr eine Qualität. Ich glaube, wenn man sich selber zugesteht, einfach zu sein, hat das eine Auswirkung auf das eigene Denken. Wir betrügen uns manchmal auch selbst mit möglichst komplexen Formulierungen . Auch in der Literatur gibt es Autorinnen und Autoren, die einfach geschrieben haben. Das ist auch eine literarische und ästhetische Qualität. Es muss nicht jeder wie Karl Barth schreiben – es kann auch klug sein, wenn es einfach ist.
Heimito Nollé ist Journalist und Autor. Für das bref Magazin «übersetzt» er Texte aus Religion und Theologie in einfache Sprache und macht so Schwieriges verständlich. Er studierte Philosophie und Geschichte.
heimito.nolle@brefmagazin.ch
Leichte Sprache ist eine speziell geregelte einfache Sprache. Sie zielt dabei auf die besonders leichte Verständlichkeit. Leichte Sprache soll Menschen, die über eine geringe Kompetenz in der deutschen Sprache verfügen, das Verstehen von Texten erleichtern.
www.leichte-sprache.org
Benjamin Thut ist Industriedesigner. Sein Markenzeichen sind praktische und innovative Designmöbel. Das Magazin trifft ihn in seinem Familienunternehmen und spricht mit ihm darüber, was gutes Design ausmacht und warum die Reduktion auf das Wesentliche einfach mehr ist.
Von Esther Derendinger
Die Thut AG ist einfach zu finden: Vom Bahnhof im Zürcherischen Buchs geht’s ein paar Minuten der Strasse entlang, schon steht man vor der Designmöbel-Manufaktur. Die Werkhalle mit einer verglasten Front zur Strasse hin gibt den Blick frei in Büros und einen grossen Showroom im ersten Stock. Der Eingang ist offen und geräumig, schlicht und funktional, in dunkeln Farben eingerichtet. Einige Mitarbeitende sitzen, vertieft in ihre Arbeit, am Computer. Hinter einer PVC-Wärmeschleuse, die in die Produktionshalle führt, dröhnen Maschinen.
Was ist gutes Design, Benjamin Thut?
«Zu Beginn meines Designstudiums, fragte ich meinen Vater Kurt, der ebenfalls Designer war: «Wie designt man? Nach welchen Prinzipien wird gestaltet? Und er sagte: ‹Nimm dir das Rennvelo als Vorbild. Es hat genau das daran, was es braucht, und es ist genau so dimensioniert, dass es hält.›» An diesen Rat hält sich Benjamin Thut noch heute, wenn er Möbel entwirft. Die Möbel sind schlicht, funktional und zeitlos. Fast kommt man in Versuchung, sie auf den ersten Blick «einfach» zu nennen – einfach deshalb, weil es an den Schränken, Tischen, Betten nichts Überflüssiges gibt. Das entspricht auch einer der 10 Thesen, die der deutsche Industriedesigner Dieter Rams aufgestellt hat: «Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.» Thut Möbel zeichnen sich aus durch ein filigranes und dennoch stabiles Design. Ihre Philosophie ist, mit dem geringsten Materialaufwand ein Produkt zu gestalten und zu produzieren – das hat nicht zuletzt auch ökologische Gründe. Das Rennvelo steht heute übrigens auch im Showroom von Thut Möbel.
Was sich in Thut Möbeln spiegelt, ist dem Designer auch fürs eigene Wohnen wichtig: «Wir leben in einer einfachen, auf das Wesentliche reduzierten Umgebung. Was ich langfristig um mich habe, also Möbel und andere Gegenstände, soll einfach und schlicht sein, damit die Menschen, die darin leben, besser zur Geltung kommen.»
Vom Prototyp zum fertigen Produkt
Design-Ideen entstehen aus Bedürfnissen heraus. Bis ein Produkt auf dem Markt ist, dauert es zwei bis drei Jahre, und es stecken viele Arbeitsschritte dahinter. Anhand seines neusten Möbels erklärt Benjamin Thut den Prozess: «Eine Bekannte gab den Anstoss, ‹mach doch mal einen Tisch, den man auf der Seite einfach greifen und ausziehen kann›, und ein Kollege wünschte sich einen Ausziehtisch für die engen Platzverhältnisse auf seinem Balkon. In Benjamin Thuts Kopf formte sich eine Umsetzungsidee. Er machte sich ans Werk, fertigte Skizzen an und startete schon bald mit einem einfachen ersten Prototyp. Ein Holzkonstrukt mit dünnen Beinen, Holzstreben dienten als Tischfläche. Fertig. Der Tisch wurde im Alltag auf seine Funktionalität getestet und es zeigte sich: Gläser und Flaschen konnten nicht abgestellt werden, ohne zu kippen, ein Tischblatt fehlte, zu viel Material wurde verwendet, das Konstrukt war noch nicht stabil genug. Es folgten sechs weitere Prototypen und viel Detailarbeit: Benjamin Thut entwickelte eine fünf Millimeter dünne Tischplatte, formbeständig und wetterfest, feilte an den präzisen Abständen der Holzstreben, damit Gläser sicher stehen, und tüftelte daran, Material einzusparen, um den Tisch leichter zu machen und doch die höchstmögliche Stabilität zu erhalten. Aufwand, der sich gelohnt hat. Der geringere Materialverbrauch wirkt sich schlussendlich auch auf den Verkaufspreis aus.
Für die Produktentwicklung sind Testen, Rückmelden, Verbessern zentrale Schlaufen im Prozess. Auch Händler- und Kundinnen-Stimmen sind jeweils wertvoll. «Gerade an Messen kommt das Kundenfeedback meist unverblümt, besonders dann, wenn sie nicht realisieren, dass der Designer selbst am Stand steht», erzählt Benjamin Thut schmunzelnd. Messen sind für Thut auch Orte, wo er Design-Ideen aufgreifen kann.
Nicht jede Idee funktioniert
Nicht jede gute Idee verspricht jedoch einen Erfolg. «Für eine Kundin entwarf ich einen Klapptisch aus Holz und wollte diesen an einer Messe zeigen», erzählt Thut. «Dann merkte ich: Das Produkt ist noch nicht fertig, etwas stimmt noch nicht. Der Tisch war einfach zu wenig unsere Sprache.» Das Möbel steht jetzt unfertig in der Produktionshalle. «Manchmal muss man eine Arbeit einfach auf die Seite legen und sie ruhen lassen, wenn es nicht mehr vorwärts geht», sagt er und ergänzt: «Vielleicht kommt irgendwann die zündende Idee, um den Tisch fertigzustellen.» Ein anderes Produkt hat es zwar bis in den Handel geschafft, wurde in den Läden dann aber doch nicht gekauft. Es lässt sich nicht immer eruieren, warum ein Produkt keinen Absatz findet. Auch damit müsse man rechnen, sagt Thut. Wichtig sei es, offen zu bleiben und Ideen auch wieder zu verwerfen. Gutes Design brauche Ausdauer und Geduld. Bei Thut wird aber nicht nur neu entwickelt, sondern auch Bestehendes weiterentwickelt. Beispielsweise ihr wichtigstes Produkt, der Faltvorhang. Er ist zum einen «Schiebetür» bei Schränken, zum andern wird er nun auch als Raumteiler eingesetzt.
Tradition ist wandelbar
Thut Möbel wurde 1929 im Aargauischen Möriken als Möbelschreinerei gegründet und wird mittlerweile in vierter Generation als Fabrikations- und Montagewerkstatt geführt. Seit 2016 ist das Unternehmen in Buchs (ZH) ansässig. Vor wenigen Monaten übergab Benjamin Thut die Geschäftsleitung seinem Sohn Rafael. Ihm gibt er viel mit, was er auch von seinem Vater mit auf den Weg bekommen hat: Die Thut-DNA, welche in allen Produkten sichtbar ist, ist Einfachheit, die sich zeigt in klarer Modellreduktion, erfinderisch konstruiert, innovativ funktionierend. «Dazu gehört das reduzierte Denken, damit Produkte mit möglichst wenig Design auskommen und mit minimalem Materialaufwand produziert werden», erklärt Benjamin Thut und ergänzt: «Sorgfältig mit Ressourcen umgehen, gehört zu unserer Haltung.» Aber auch die Offenheit, andere Dinge zu machen, gibt er weiter. Sein Vater habe ihn und seinen Bruder nie gedrängt, in die Firma einzusteigen, er sei stets offen dafür gewesen, dass wir unseren eigenen Weg verfolgen. Das gebe er auch seinen Söhnen weiter. «Wir wissen ja nicht, ob es in zehn Jahren noch möglich ist, in der Schweiz Möbel zu produzieren», sagt er.
Benjamin Thut ist Designer und Erfinder. Er lernte Mechaniker und studierte anschliessend Innenarchitektur und Produktdesign. Berufliche Stationen führten ihn zu zwei Grosskonzernen in die USA. Danach gründete er in Zürich eine eigene Agentur für Design und Marketing. 2007 übernahm er die Firma seines Vaters.
benjamin@thut.ch
Rams’ 10 Thesen für gutes Design: Gutes Design ist innovativ; macht ein Produkt brauchbar; ist ästhetisch; macht ein Produkt verständlich; ist unaufdringlich; ist ehrlich; ist langlebig; ist konsequent bis ins letzte Detail; ist umweltfreundlich; ist so wenig Design wie möglich.
Thut AG: Thut Möbel wirken filigran und klar und beschränken sich auf das Wesentliche. Thut verarbeitet für seine Kollektionen vorwiegend Metall, Textilien und Holz und arbeitet, wenn immer möglich, mit regionalen Partnern zusammen.
www.thut.ch
Wer mit Prototyping neue Ideen testen und weiterentwickeln möchte, braucht ein wenig Mut. Mut, Unfertiges zu präsentieren, Experimentierfreude, um herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Und: Es braucht die Bereitschaft, Ideen zu teilen. Prototyping ist Teamarbeit.
Von Nadja Schnetzler
Haben Sie schon einmal eine Ferienwohnung auf Airbnb gebucht? Wenn nicht, dann haben Sie auf jeden Fall von Airbnb gehört. Entstanden ist Airbnb aus einem ganz simplen Prototyp. Die Gründerinnen und Gründer wollten nämlich eine Idee testen: Wenn wir auf einer Internetseite ein Bett in einer Wohnung vermieten möchten – nicht eine ganze Wohnung, nur ein Bett – gibt es dafür überhaupt einen Markt, ein Interesse? Die Gründungslegende sagt, dass die Airbnb-Gründer:innen ein paar Luftmatratzen kauften, in ihrer Wohnung aufstellten und eine simple Website online stellten, die «airbreadandbfreaks.com» hiess. Ein Bett kostete 80 Dollar die Nacht. Und siehe da, Leute buchten diese Betten. Daraus entwickelten sich alle nächsten Schritte von Airbnb, und die Organisation wuchs und wuchs zur heutigen Plattform, die aus den Leben vieler Reisenden nicht mehr wegzudenken ist.
Diese Art von Prototypen nennt man RAT – «Riskiest Assumption Test», also Test der riskantesten Annahme.
Ideen früh testen
Es gibt noch eine zweite berühmte Abkürzung für einen Prototyp: Das MVP oder «Minimum Viable Product». Dabei handelt es sich um einen Prototyp, den man entwickelt und anschliessend Feedback von möglichen Kundinnen und Kunden dazu einholt. Zum Beispiel, indem man zu einer möglichen Event-Serie einen Pilot-Event kreiert, den Event nur mit befreundeten Personen testet und fragt, was sie an dieser Art Veranstaltung verändern oder verbessern würden.
Egal ob RAT oder MVP: Prototypen sind die beste Möglichkeit, eine Idee früh zu testen und nicht viel Zeit für Konzeption und Planung zu verbrauchen, nur um dann herauszufinden, dass die Idee vielleicht gar (noch) nicht funktioniert. Wer mit Prototypen Ideen testen und weiterentwickeln möchte, braucht ein wenig Mut, über den eigenen Schatten zu springen. Die Stimmen im Kopf: «Darf ich wirklich etwas so Unfertiges auf Leute loslassen?» dürfen gerne ignoriert werden, um neuen Stimmen Platz zu machen: «Ich bin gespannt, was wir herausfinden werden» oder «Ah, das hat nicht funktioniert – sehr gut! Was machen wir als nächstes?»
Gemeinsam entwickeln
Prototypenarbeit macht man am besten in einer kleinen Gruppe, nicht alleine. Viel zu schnell landet man alleine wieder an den Orten, die man schon kennt, und greift zu klassischen Vorgehensweisen und Glaubenssätzen. Gerade in der Gemeindearbeit sollte die Maxime gelten «Wir entwickeln gemeinsam mit anderen, nicht für andere.» So kann zum Beispiel eine Konfirmationsklasse viel besser bei der Frage mitwirken, wie eine spannende Konf-Stunde in Zukunft aussehen könnte als Pfarrpersonen, die sich das für die Konfirmandinnen und Konfirmanden überlegen.
Um einen Prototyp zu entwickeln, sind folgende Fragen nützlich:
- Aus welchem Grund möchten wir diesen Prototyp bauen ? Was treibt uns an?
- Was ist unsere Annahme? Was könnte funktionieren? Und wie können wir die kleinstmögliche Version dafür bauen? (MVP)
Welches ist unser grösstes Risiko und wie können wir das testen? (RAT) - Wen laden wir zusätzlich ein, um den Prototyp mit uns zu entwickeln?
Wen lassen wir den Prototyp testen? - Nach dem Test: Was haben wir gelernt? Was möchten wir als Nächstes tun? Und wer soll dabei mitmachen?
Prototyping ist ressourcenschonend
Wenn mehrere dieser Schlaufen durchlaufen sind, kann man einen Prototyp in ein gefestigtes Angebot, in eine Serie oder in ein Produkt überführen. Oder – wenn wir mit dem Prototyp scheitern – uns auf eine neue Idee konzentrieren. Arbeit mit Prototyping ist ressourcenschonend, kann Veränderung besser auffangen, ist partizipativ, weniger riskant und macht allen Beteiligten mehr Spass.
Um auf diese Weise zu arbeiten, müssen wir bereit sein, unsere Ideen zu teilen, andere am Prozess teilhaben zu lassen, uns von perfektionistischen Vorstellungen zu lösen und unseren Spieltrieb und unsere Experimentierfreude wieder zu entdecken.
Nadja Schnetzler ist Expertin für Innovation und Zusammenarbeit. 2012 gründete sie ihr zweites Unternehmen «Word and Deed», und sie war Mitgründerin von republik.ch.
nadja.schnetzler@word-and-deed.org
Word and Deed sorgt dafür, dass Teams und Gruppen ihre Zusammenarbeit durch Visualisierung ihrer Arbeit verbessern und sich agil weiterentwickeln können. Word and Deed coacht Teams und Unternehmen aller Grössen und Branchen.
www.word-and-deed.org

Manchmal ist gar nichts einfach. Und es ist auch – egal, wie man sich bemüht – nicht einfach zu machen. Das heisst, man versucht es angestrengt, will etwas Komplexes irgendwie zähmen, formen, anpassen, simplifizieren, von seinen komplexen Komplexitäten häuten, es dadurch leicht und begreifbar machen. Wenn schon so viele Worte in einen Vorgang gelegt werden können, ist er ganz schön fordernd. Versteckt einfach sind auch ein paar Dinge. Manchmal ist einfach ein Kompliment und manchmal eine Schmähung. Einfach bildet ein Spektrum ab. Sowie auch das Abstrakte bis hin zum Konkreten ein Spektrum abbildet. Wie zum Beispiel abstrakt, bis aus abstrakt konkret wird.
Etwas sehr Einfaches kann ein Glas Wasser sein. Dabei schliesst einfach kostbar nicht aus, im Gegenteil. Wer schon einmal gesehen hat, wie Wasser aufbereitet werden muss, damit wir es trinken können, und wie Glas hergestellt wird, wie eine Wasserleitung gelegt und gewartet wird und was es bedeuten kann, wenn man in der Nacht nach jemandem rufen darf, der einem so ein Glas frischen Wassers bringt, weil man sich selbst fürchtet, dann ist Einfaches kostbar. Als Kind vor den Monstern unter dem Bett, als alter Mensch vor dem nicht mehr so rüstigen Aufstehen in einer nicht mehr so einfach zu begreifenden Dunkelheit. Einfach ist fast nichts. Ausser die Sätze, die man schreiben kann in deutscher Sprache. Die kann jedes Kind irgendwann nachsprechen: Ich bin nicht du, du bist nicht ich. Verwechsle uns nicht.
Nora Gorminger ist für vier Ausgaben unsere Kolumnistin. Die Schriftstellerin hat Amerikanistik, Germanistik und Kunstgeschichte studiert und danach eine Promotion im Fach Amerikanistik begonnen. Seit 2010 leitet sie das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg als Direktorin. Zahlreiche Aufträge, Aufenthaltsstipendien und Lehraufträge führen sie als Autorin, Dozentin und Performerin rund um den Globus.
nora-gomringer.de
Ich stehe zur Verfügung
Als junger Mann fiel mir das Leben leicht. Ich war ein Abenteurer, machte mit 17 den Pilotenschein und reiste in einem selbst gebastelten Boot bis zum Atlantik. Nach dem Studium arbeitete ich als Manager bei internationalen Schmuck- und Uhrenherstellern.
Übermut und Unachtsamkeit prägten in dieser Zeit meinen Lebensstil. Irgendwann gelang nicht mehr alles so einfach. Die dramatische Geburt meiner Zwillinge, der Tod meines Vaters und die Scheidung von meiner Frau rüttelten mich auf. Ich suchte den Dialog mit Gott. Der Glaube an ihn war schon seit meiner frühen Kindheit da, als mir meine Tante auf langen Spaziergängen biblische Geschichten erzählte.
In der Krise erlebte ich, wie Gott mich auffing. Ich sagte zu ihm: Hier bin ich, ich stehe zu deiner Verfügung! Seither fügt sich ein Puzzleteil zum anderen. Als ich den Quereinstieg in den Pfarrberuf ins Auge fasste, ergab sich die Möglichkeit, mir das Theologiestudium als Interim Manager zu finanzieren. Ich schätze es, im Business-Look mit Verwaltungsräten zu diskutieren und am nächsten Tag in meiner Motorrad-Kluft in der Vorlesung zu sitzen.
Wenn ich in ein paar Jahren, so Gott will, Pfarrer bin, dann möchte ich die Kirche sichtbarer machen. Und ich möchte weitergeben, was ich erlebt habe: Gott ist da, und wenn wir scheitern, fängt er uns auf.
