von Livia Strauss

«Scheitern ist gut, solange wir es für Gott tun. Eigentlich sollten 9 von 10 Experimenten scheitern.» Mit dieser These von Lorenzo Leijba zu Kirche und Innovation begann unsere Studienreise in Schottland. Und sie machte mich hellhörig. Scheitern war für mich bisher negativ behaftet; etwas, das ich vermeiden wollte. Aber ich verstand nun: Erst wenn wir die Angst vor dem Scheitern loslassen, kommt der Mut, etwas auszuprobieren. So nahm ich folgende Fragen mit, die mich durch die Studienreise begleiten sollten: Wie kann man scheitern lernen und Mut gewinnen in den Risiken von Veränderungen? Haben die Schott*innen eine bessere Fehlerkultur als wir Schweizer*innen? Oder anders gefragt: Können wir lernen, gut zu scheitern, so wie man in einigen Kampfsportarten zuerst lernt, wie man gut umfällt?

In den folgenden Tagen hörten wir viele Stimmen, die erzählten, wie die reformierte Kirche in Schottland am Kämpfen ist. Sie hat nur noch sehr wenige Mitglieder, ganze Generationen brechen weg, Geld gibt es nicht mehr viel und die Pandemie hat zu allem hin neue Projekte wieder zum Fallen gebracht. Trotzdem strahlten die Menschen, die wir trafen, Mut und Hoffnung aus.

Ich habe drei Faktoren herausgehört, die einen Weg aufzeigen, um in Veränderungen resilient und mutig zu sein:

 

1. Netzwerke

Regelmässige Reflexion in Super- oder Intervision schützt Pfarrpersonen (und auch andere kirchliche Mitarbeitende) gerade auch in Krisen und kann ihnen Ressourcen geben, um Risiken zu wagen. Dies sollten Orte sein, wo wir uns verletzlich zeigen und uns gegenseitig im Glauben unterstützen können. So können wir uns daran erinnern, dass wir genug sind, dass Gott uns ganz macht. Und gerade während der Pandemie hätten vernetzte Pfarrpersonen merklich mehr Resilienz gezeigt.

 

2. Hören

Immer wieder wurde herausgehoben, wie wichtig das Hören sei, wenn wir innovative und missionale Kirche sein wollen. Einerseits auf Gott hören: Was ist Gottes Ruf für mich, für die christliche Gemeinschaft? Andererseits den Menschen zuhören, besonders auf diejenigen ausserhalb der Kirchenmauern: Wie sieht ihr Leben aus? Was wünschen sie sich? Wie können wir Räume für Gemeinschaft bilden? Wenn wir den Fokus weg von «wir müssen die Kirche retten» hin zu den Menschen und Gottes Ruf richten, werden wir mutiger – davon bin ich überzeugt.

 

3. Erlauben

Es reicht nicht zu sagen, dass Scheitern wichtig ist und wir den Mut dazu haben sollten. Wir müssen uns auch erlauben zu scheitern. Dafür braucht es Ressourcen und Räume, mit und in denen wir ausprobieren, experimentieren können. Die reformierte Kirche in Schottland stellt dies, wie mir scheint, grosszügig zur Verfügung. Und vielleicht braucht es davon auch noch mehr in der Schweiz.

Inspiriert, bereichert mit diesen Impulsen gehe ich zurück in den Schweizer Kontext. Sie werden mich begleiten in meiner kirchlichen Arbeit. Sodass ich hoffentlich irgendwann sagen kann: Das Scheitern hat mich und die Kirche weitergebracht, wir haben mutig neue Schritte gewagt und es war gut so.

 

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