In England und Schottland erkunden Vikar:innen zukunftsweisende kirchliche Projekte. Ihre Blogbeiträge geben Einblick in die sich verändernde Kirchenlandschaft und bieten Inspiration für die eigene Gemeindearbeit.

Jährlich begeben sich die Vikar:innen gegen Ende ihrer Ausbildung auf eine inspirierende Reise nach England und Schottland, um innovative kirchliche Orte zu erkunden und Pionier:innen zu treffen. Die Reise ist Teil der Ausbildung Gemeindeentwicklung und soll das Bewusstsein für die sich rasch verändernde kirchliche Landschaft schärfen. Als Leistungsnachweises verfassen die Vikar:innen u.a. jeweils einen Blogbeitrags, der ihre Eindrücke von der Reise widerspiegelt und als Reflexion über das Gelernte dient. In dieser Sommer-Serie erhalten Sie 9 spannende Einblicke von Vikar:innen (die zwischenzeitlich bereits im Pfarramt sind). Insights, die auch für die eigene Arbeit in der Kirchgemeinde inspirieren können.

 

Sommer-Serie 2/9

Der zweite Blogbeitrag ist von Thierry Wey. In seinem Text geht es ums Zuhören als Schlüssel. Die Studienreise zeigte ihm, wie das offene Ohr der Kirchen Veränderung bringt. Er kehrt zurück mit dem Auftrag: Hört hin, um vielfältige Kirche in der Schweiz zu gestalten!"

 

Listen!  

von Thierry Wey

Die Hauptbotschaft unserer Studienreise ist für mich zusammengefasst in der Aufforderung: Listen! Hört hin! Genau, es geht nicht darum Listen zu erstellen, sondern hinzuhören. Einige unserer schottischen Gesprächspartner haben Zeugnis davon abgelegt, wie sie selbst dieses «Listening» praktizierten, oder haben uns ermutigt hinzuhören – in unserem Umfeld, unserer Gesellschaft, Kultur, bei den Nächsten und Übernächsten.

Das offene Ohr der Kirchen ist dabei nicht einmal in erster Linie ein Türöffner um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, obwohl auch das ein unverzichtbarer Nebeneffekt des Zuhörens ist. Es geht primär darum, die Menschen und ihre Bedürfnisse kennenzulernen, zu hören, wo in der Gesellschaft die Kirche einen neuen oder alten Auftrag haben könnte, zu merken, was die Leute von heute geistlich sowie diakonisch brauchen. Dabei finde ich besonders inspirierend, wie die Vertreter der schottischen Kirche aus ihrer spirituellen Tradition schöpfen und nicht versuchen das Rad der Frömmigkeit neu zu erfinden. Das britische reformierte Erbe ist in Theologie und Liturgie zu spüren, wenngleich es kontextualisiert, d.h. in die heutige Zeit und Sprache übersetzt wird. Die Begriffe Evangelisation und Mission (im Sinne der Missio Dei) werden durchwegs positiv verwendet.

Ich komme also zurück in die Schweiz nicht mit einer Liste von Lernerträgen aus der schottischen Kirche und To-dos, die ich hier umsetzen muss um unserer Kirche neuen Schwung zu verleihen. Sondern ich komme zurück mit dem Auftrag hinzuhören. Und damit Veränderung in der Kirche geschehen kann, braucht es – angesichts der schrumpfenden personellen und finanziellen Ressourcen – nicht nur Innovation, sondern auch Exnovation. Dabei ist essentiell, dass sowohl der Abbau als auch der Aufbau kirchlicher Handlungen oder Angebote nicht von unseren kirchlichtheologischen Interessen geleitet sind, sondern sich eben an den gehörten Stimmen der Menschen unserer Umgebung orientieren.

Es versteht sich von selbst, dass durch ein solches Vorgehen die evangelisch-reformierte Kirche der Schweiz noch diverser und vielseitiger werden wird. Umso wichtiger ist es also, dass wir uns bei «Listening» und «fresh-expression», bei Exnovation und Innovation immer an der Grundlage und am Zentrum des christlichen Glaubens orientieren und von dort aus das Gehörte interpretieren. Auf dass noch viele neue Gestalten von christlicher Kirche in der Schweiz entstehen!