In England und Schottland erkunden Vikar:innen zukunftsweisende kirchliche Projekte. Ihre Blogbeiträge geben Einblick in die sich verändernde Kirchenlandschaft und bieten Inspiration für die eigene Gemeindearbeit.

Jährlich begeben sich die Vikar:innen gegen Ende ihrer Ausbildung auf eine inspirierende Reise nach England und Schottland, um innovative kirchliche Orte zu erkunden und Pionier:innen zu treffen. Die Reise ist Teil der Ausbildung Gemeindeentwicklung und soll das Bewusstsein für die sich rasch verändernde kirchliche Landschaft schärfen. Als Leistungsnachweises verfassen die Vikar:innen u.a. jeweils einen Blogbeitrags, der ihre Eindrücke von der Reise widerspiegelt und als Reflexion über das Gelernte dient. In dieser Sommer-Serie erhalten Sie 9 spannende Einblicke von Vikar:innen (die zwischenzeitlich bereits im Pfarramt sind). Insights, die auch für die eigene Arbeit in der Kirchgemeinde inspirieren können.

 

Sommer-Serie 7/9

Ja, was wäre, - nein, was ist Kirche wenn ...

von Charlotte Jussli

„What if the early disciple community had not enjoyed power and privilege? What if they had not been used by parliaments? Had not made administration sacred? What would Christianity look like?“  

Diese Fragen, die Rev. John Chalmers in die Runde warf, bewegten mich sehr und liessen mich nachdenklich zurück: Ja, was wäre, nein – ist Kirche wenn…?  

Mittlerweile lässt es sich schwerlich leugnen, dass viele klassische Angebote nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen. Davon zeugen sowohl die abnehmenden Mitgliederzahlen als auch die grösstenteils leeren Kirchen. Aber: Vielleicht ist es ja gar nicht unbedingt schlecht, dass Kirche erst einmal schrumpft – denn nur so kann sie wirklich neu gedacht werden und sich flexibel an die Bedürfnisse der Menschen anpassen und unkonventionelle Wege gehen, kurz: die Leute in ihrem Alltag abholen.  

Der Mensch steht über dem Dogma

Die Studienreise nach Schottland habe ich als durchweg inspirierend erlebt. Die ganze Reise über haben mich vor allem zwei Fragen begleitet: „Was ist Kirche?“ und „Wohin führt uns die Zukunft?“  

Es braucht Mut, Altes loszulassen und für mich selbst und meinen Pfarralltag habe ich mir vorgenommen, Glaubenssätze, Dogmen, Bilder, Rituale und Traditionen erst recht sorgfältig zu prüfen und stets nach dem Grundsatz zu handeln: der Mensch steht über dem Dogma.  

Wird Kirche also weiter existieren? Ich denke, ja. Allerdings in einer anderen Form als wir sie bisher kannten. Der klassische Gottesdienst am Sonntagmorgen wird mit der Zeit sicherlich anderen Formen des inspirier(end/t)en Innehaltens weichen.  

Wenn wir uns in der Gesellschaft umschauen, lässt sich sehr wohl ein Bedürfnis nach Spiritualität und die Suche dem „Göttlichen“ erkennen, dies äussert sich beispielsweise in den immer populärer werdenden Praktiken wie der fernöstlichen Meditation. Wie können wir als Kirche also zurück zum Kern finden und den Menschen das bieten, was sie im Innersten bewegt?  

Raus aus der Kirche – rein in die Lebenswelt!

Wie können wir sie noch besser auf der Suche nach Gott bzw. auf dem Weg mit Gott begleiten? Ein wichtiger Zugang findet sicher immer noch durch Schwellenrituale statt. Kirche wird sich möglicherweise spezialisieren müssen, aber sie wird immer relevant sein, wo sie authentisch und ohne sich anzubiedern, auf Menschen in ihrem Alltag trifft und sie dort abholt, wo sie sind. Raus aus der Kirche – rein in die Lebenswelt! Sicherlich, Jesus lehrte auch in der Synagoge, aber die meiste Zeit war er unterwegs bei und mit Menschen.  

Auch wenn Kirche kleiner und ärmer wird, möchte ich mir selbst doch optimistisch vor Augen halten, dass es einmal mit einer kleinen, armen Gruppe in Galiläa losging.  

Wann immer Leute miteinander Kirche sein wollen, wird es auch einen Weg geben. Ob es Geld hat oder nicht, ob es Gebäude hat, oder nicht: „God is at work already: Whether it is initiated by church or not“.