In England und Schottland erkunden Vikar:innen zukunftsweisende kirchliche Projekte. Ihre Blogbeiträge geben Einblick in die sich verändernde Kirchenlandschaft und bieten Inspiration für die eigene Gemeindearbeit. Wer nicht mitreisen konnte, suchte in der Schweiz inspirierende Orte auf.

Jährlich begeben sich die Vikar:innen gegen Ende ihrer Ausbildung auf eine inspirierende Reise nach England und Schottland, um innovative kirchliche Orte zu erkunden und Pionier:innen zu treffen. Die Reise ist Teil der Ausbildung Gemeindeentwicklung und soll das Bewusstsein für die sich rasch verändernde kirchliche Landschaft schärfen. Als Leistungsnachweises verfassen die Vikar:innen u.a. jeweils einen Blogbeitrags, der ihre Eindrücke von der Reise widerspiegelt und als Reflexion über das Gelernte dient. In dieser Sommer-Serie erhalten Sie 9 spannende Einblicke von Vikar:innen (die zwischenzeitlich bereits im Pfarramt sind). Insights, die auch für die eigene Arbeit in der Kirchgemeinde inspirieren können.

 

Sommer-Serie 8/9

Wenn Knochen spielen lernen – wie aus einem Friedhof ein Spielplatz wurde  

von Christian Gfeller

Kloten ist bekannt für den Flughafen Zürich. Doch an diesem Mittwochnachmittag steige ich am Flughafen nicht in einen Flieger, sondern in den Bus Nr.765. Mitten im Dorfkern, an der Haltestelle Kirchgasse, steige ich aus. Hier befindet sich der Freiraum Familie: Ein gastfreundlicher und naturnaher Begegnungsort, der von einer grünen Oase umgeben ist. Er setzt sich aus verschiedenen Liegenschaften und Grünflächen zusammen, darunter der Naturspielplatz und das Café in der Jurte. Ich treffe auf ein wunderbares Gewusel von spielenden Kindern, lachenden Müttern, sitzenden Grosseltern und diskutierenden Vätern.

Ich bin mit Pfr. Jürgen Wieczorek, Mitinitiator des Projektes, verabredet. «Hier befand sich früher der städtische Friedhof», erzählt er mir. Im Anblick dieser Fülle an Leben ist dies kaum zu glauben. Hier fanden Knochen zu einem neuen Leben und lernten spielen. Doch die Auferstehungsgeschichte von Kloten brauchte länger als drei Tage. Pfr. Wieczorek trat seine Stelle 2016 an. Bewusst wurde er für den Schwerpunkt Familie und dem Projektauftrag der Umnutzung des Friedhofes angestellt. Von Beginn an gestaltete er das Projekt konsequent partizipativ. Der gesamte Freiraum wurde von, mit und für Eltern und Kindern geplant, gebaut und auch instandgehalten. Beispielsweise wurden die Kinder eingeladen das Gelände vor jeglicher Bebauung zu erkunden. Ausgerüstet mit Emojis verteilten sie lachende Smilies an den Orten, die ihnen gefielen. Unattraktivere Plätze erhielten ein weinendes Emoji. Diese Kinderexpertise floss mit in die Planung ein.

Nach der ersten Phase, in welcher der Erlebnisspielplatz erstellt wurde, folgte in einer zweiten Etappe die Installation des Kaffees. Im Angesicht der baurechtlichen Herausforderung, wurde eine mobile Jurte errichtet. Aktuell steht die dritte Phase des Projektes an: Das Familienprojekt soll sich weiten zum Freiraum Generationen, dafür ist ein Gemeinschaftsgarten mit Bouleplatz und Grillstelle angedacht.  

Konsequent partizipative Ausrichtung

Das Projekt ist für mich ein eindrückliches Beispiel dafür, dass die Gestaltung von neuen Begegnungsräumen ein vielversprechender Ansatz für kirchliche Innovation darstellt. Auf meiner Studienreise traf ich mehrheitlich auf Pioniere und Pionierinnen, die kirchliche Begegnungsorte, wie Cafés, Coworking Spaces oder Restaurants betrieben. Dabei sticht die konsequent partizipative Ausrichtung des Freiraums Familie besonders heraus. Von Anfang an wurden hier Familien und Kinder in den Planungsprozess einbezogen und ihre Ideen und Wünsche berücksichtigt. Das Ergebnis ist ein Ort, der von den Menschen vor Ort geschaffen wurde und ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Dies alles brauchte und braucht viel Geduld, wie Pfr. Wieczorek nicht müde wird zu betonen.

Erst nach sieben Jahren zeigen Familien vermehrt auch Interesse an spezifisch kirchlichen Angeboten, wie dem «Fiere mit de Chline». Mit diesen Eindrücken steige ich wieder in den Bus ein. Dabei begleitet mich die Verwandlung dieses Friedhofes zu einem Spielplatz gedanklich weiter. Mir ist eine Kirche begegnet, die über ihre Mauern hinaus Begegnung ermöglicht. Das gesamte Kirchengelände bewusst gastfreundlich zu gestalten und so Beziehungen gerade auch über Milieu- und Generationengrenzen hinaus zu ermöglichen, scheint mir ein vielversprechender Ansatz zu sein.