Jährlich begeben sich die Vikar:innen gegen Ende ihrer Ausbildung auf eine inspirierende Reise nach England und Schottland, um innovative kirchliche Orte zu erkunden und Pionier:innen zu treffen. Die Reise ist Teil der Ausbildung Gemeindeentwicklung und soll das Bewusstsein für die sich rasch verändernde kirchliche Landschaft schärfen. Als Leistungsnachweises verfassen die Vikar:innen u.a. jeweils einen Blogbeitrags, der ihre Eindrücke von der Reise widerspiegelt und als Reflexion über das Gelernte dient. In den kommenden Wochen werden Sie hier 9 spannende Einblicke von Vikar:innen (die zwischenzeitlich bereits im Pfarramt sind) lesen. Insights, die auch für die eigene Arbeit in der Kirchgemeinde inspirieren können.

Sommer-Serie 1/9

Der erste Text ist von Basil Widmer. Er schreibt zu seinen Eindrücken über die Botschaft vieler Referent:innen, die er hörte: Kirche muss wieder vermehrt ihre Kernbotschaft in den jeweiligen Kontext hineinbringen. Oder wie das Neil Glover, einer der Referenten auf der Reise, auf den Punkt brachte: «The real work needs to be done in our soul.»

 

Stop being boring! Theologischer Tiefgang als Rettung der Kirche? 

von Basil Widmer

Von unserer Studienreise in London und Schottland bleiben mir viele Begegnungen und Orte in guter Erinnerung. Die Botschaft vieler Referent:innen ging in eine ähnliche Richtung: Kirche muss wieder vermehrt ihre Kernbotschaft in den jeweiligen Kontext hineinbringen. Oder wie das Neil Glover auf den Punkt brachte: «The real work needs to be done in our soul.» Neil, unser letzter Referent am Abreisetag, sieht die Zukunft der Kirche nicht nur in strukturellen und organisatorischen Veränderungen, sondern besonders auch in theologischem Tiefgang. Alle äusserlichen Optimierungen und Anpassungen werden keine positive Wirkung haben, wenn die Theologie nicht ebenfalls eine Aktualisierung erfährt. Damit meinte Neil nicht unbedingt eine neuartige oder besonders kreative Theologie, welche die Kirche auf wundersame Weise wieder lebendig macht. Vielmehr nahm Neil uns Theolog:innen in die Pflicht, unsere eigene Botschaft ernst zu nehmen. Vor allem im Bereich der Soteriologie müssen wir wieder wortfähig werden! Wir müssen den Menschen von heute wieder neu erklären können, was der Satz «Jesus saves» bedeutet. Und zwar in der ganzen theologischen Breite. Neil ging es nicht um theologische Konformität. Im Gegenteil sieht er die theologische Vielfalt schon in der DNA der reformierten Tradition angelegt. Aber gerade deswegen müssen wir diese grossen theologischen Wörter wie Erlösung oder Gnade neu mit Inhalt füllen, der die Menschen der heutigen Zeit anspricht. «Church is boring, because we failed to reinvent our theological and ecclesiological tradition.” Und wo etwas langweilig ist, da entsteht emotionale Distanz. Kirche muss wieder relevante Theologie bieten, ansonsten nützen auch die besten Umstrukturierungen wenig.  


Als gewöhnlicher Gemeindeleiter (und das ist nicht negativ gemeint!) bot mir Neil am meisten Anknüpfungspunkte. Dass gerade er die theologische Arbeit so hervorstrich, machte mir Mut, auch selber weiter theologisch zu arbeiten und zu forschen. Seine Begeisterung für Theologie (und gerade auch für Soteriologie) haben bei mir tiefen Eindruck hinterlassen. Gute, lebensförderliche Theologie begeistert nach wie vor Menschen – sowohl in Schottland, als auch in der Schweiz.  

Meine Hypothese lautet entsprechend: Wo gute theologische Arbeit geleistet wird, da wird die Kirche an Relevanz gewinnen.  

Deshalb finde ich auch (über-)kantonale Initiativen wie das RefLab äusserst wichtig! Es regt das theologische Nachdenken und Diskutieren an und gibt immer wieder neue Impulse. Es braucht meines Erachtens aber auch lokale theologische Austauschmöglichkeiten. Das kann natürlich informell nach dem Gottesdienst im Kirchenkaffee passieren. Vielleicht braucht es dazu aber auch kirchliche Kleingruppen, theologische Bücherclubs, Stammtischformate oder was auch immer. Auf jeden Fall wünsche ich mir weiterhin und vermehrt tiefe theologische Gespräche in unserer reformierten Kirche. Wenn wir wieder wortfähig werden in den zentralen theologischen Themen, dann wird Kirche nicht langweilig, sondern relevant sein für Menschen in der Gegenwart. Oder um es mit den Worten von Neil auszudrücken: «The Church needs to recover the place in our soul.»