Alljährlich findet zum Schluss des Lernvikariats eine Studienreise zu innovativen Projekten in der Kirche statt. Normalerweise führt die Reise nach Schottland und England. Die Reisedestination ist corona-bedingt in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal ausgefallen. Deshalb wurde die Reiseroute kurzerhand umdisponiert: weniger weit, aber genau so innovativ. Nach einer online-Kurswoche zu "Innovation und Kirche" im März starteten die Lernvikar*innen Richtung Ostschweiz zu experimentellen kirchlichen Orten und Formen, zusammen mit Thomas Schaufelberger, Leiter A+W, Manuela Liechti-Genge, Leiterin Lernvikariat und Monika Wilhelm, Beauftragte für die Weiterbildung bei A+W. Die Lernvikar*innen nahmen - zusammen mit Pfarrer*innen der WeA und der Weiterbildung - teil an der dreitägigen Studienreise "out of the box".

Besucht wurden folgende Stationen:

  • Das Gemeinschaftshaus Witenwis der Kirchgemeinde Gossau SG mit dem einladenden Restaurant "sBistro" mitten in einem Wohnquartier. Ein neuer kirchlicher Ort entsteht. Die Pfarrerin Friederike Herbrechtsmeier, der Kirchenvorstands-Präsident Herbert Weber und der zuständige Kirchenvorstand Timon Spälti erzählen, wie sich der Ort entwickelt. Markus Ramm, Gemeindeentwickler der St. Galler Kantonalkirche, gibt Einblick in die neun Felder umfassende Entwicklungsstrategie der Landeskirche.
  • Der Wirk-Raum-Kirche in St. Gallen ist das ökumenische Dach über der Offenen Kirche, über innovative Projekte und über dem Stattkloster mit einer Hausgemeinschaft in einem Stadthaus (inkl. peruanischem Restaurant). Annina Policante, Kurt Pauli und Intendant Theodor Pindl sagen der Reisegruppe, wieso in diesem Raum neue Formen von Kirche sichtbar werden.
  • Ein Gespräch mit Scotty Williams, prespyterianisch ausgebildeter Pfarrer und Gemeindegründer einer englischsprachigen Kirche - All Souls Protestant Church - innerhalb der St. Galler Landeskirche. Seine Erkenntnis aus seiner Arbeit: Es braucht eine grosse Vision für eine Gemeindegründung. Und dann viel Zeit!
  • Die Kirchgemeinde Straubenzell (St. Gallen), wo Pfarrerin Kathrin Bolt und Pfarrer Uwe Habenicht erzählen, wie die Kirchgemeinde und das Team der PfarrerInnen und Mitarbeitenden innovative Projekte innerhalb ihrer Anstellung in einer Parochialgemeinde umsetzen, darunter die Corona-Bibel, die Aktion "Hier wird nicht gepredigt" oder die Forrest Church "Wald-Gwunder", die viermal jährlich stattfindet. Hoch inspirierende Diskussionen mit den Anwesenden über Formen der Spiritualität, der Begleitung von Menschen in religiösen Fragen und über die Funktion von Kirche in heutiger Zeit.
  • Das Café Franz, wo die Teilnehmenden Einblick erhalten in die katholische City-Seelsorge, die vor ein paar Jahren gegründet wurde mit dem Ziel, eine Lebensraumorientierte Seelsorge (kirchliche Arbeit) zu entwickeln. Die Stellenprozente wurden von den territorialen Pfarreien umgelagert und nun arbeitet ein fünfköpfiges Team mit vier Ressorts daran, die kirchliche Präsenz in den Lebensräumen und Lebenswelten der Menschen neu zu suchen und zu definieren. Ritualbegleitungen, neue Gottesdienstformate, Experimente in spirituellen Formen, interreligiöse und andere Netzwerkarbeit mit Projekten, eine mobile Velo-KostBar und eine Flüchtlings- und Migrationsarbeit gehören dazu. Eindrücklich auch, welche kulturellen Grundsätze entwickelt wurden wie «nichts ohne Kooperation», «nichts ohne Freiwillige» und «nur experimentelle Projektarbeit mit punktueller Begleitung von Menschen in ihren Lebensräumen (keine Verstetigung oder Gemeindebildung)»

Die Studienreise war für die Lernvikar*innen - kurz vor dem Ende ihres Vikariats, in der sich die Gruppe seit Oktober nur noch online auf Kacheln sah - ein wunderbarer Abschluss. Die Präsenz der Gruppe für sie eine schmerzlich vermisste Erfahrung. Umso mehr wurde die Gelegenheit für informelle Gespräche, Scherze, Disput, Austausch und non-verbale Kommunikation rege genutzt und sehr geschätzt.