von Silke Roether

„Der Geist weht wo er will.“ Das könnte als Motto über unserer Studienreise nach Schottland stehen.

In vier Tagen haben wir einen Schnelldurchgang durch die Geschichte der schottischen Reformation gemacht. Trotz mehr als 18000 für ihren Glauben Gestorbene im ersten Jahrhundert der von Hamilton und Knox initiierten schottischen reformierten Kirche, die sich durch ihren presbyterianischen Aufbau stark von der Anglikanischen Kirche unterscheidet, entwickelte sich die Church of Scotland zur mitgliederstärksten christlichen Denomination.

Im 19. Jahrhundert kam es zu einer Spaltung in drei verschiedene Unterkirchen (Scotch Church, Free Church und Presbyterian Church=), weil man sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnte. Dies hatte einen enormen Bauboom zur Folge.

Als 1929 die drei Kirchen sich wieder vereinigten, kam es zu einem Überschuss an Kirchengebäuden, weshalb in den letzten Jahrzehnen unzählige Kirchgebäude umfunktioniert wurden: in Pubs, Kinos, Museen usw.

Doch die Mitgliederzahl schwand unaufhörlich, und heute gehören noch etwa 300 000 Menschen, d.h. weniger als 6% der schottischen Bevölkerung der Church of Scotland an.

Dieser Mitgliederschwund war der Grund, weshalb 2019 der «radical action plan» ausgerufen wurde, in dessen Zusammenhang pioneer ministeries entstehen sollten. Hierfür stand eine Geldsumme von 25 Millionen Pfund zur Verfügung.

Doch mit Ausrufung der Corona-Pandemie schlossen am 22.3.2022 alle Kirchen und wurden erst im Sommer letzten Jahres wieder geöffnet. Der ungehinderte Zugang zu Cafés und Restaurants wurde sogar erst in der Woche vor unserer Ankunft wieder möglich.

Doch in der Woche, als wir das College of Divinity in Edinburgh besuchten, wurde auch das Café in diesem Gebäude wieder eröffnet, in dem man auch mehrere Mittagsgerichte zur Auswahl hat. Betrieben wird es von dem christlichen Grassmarket project, in das wir bereits am Montag Einblick bekommen konnten.

Das gutgesprochene Geld von 25 Millionen Pfund ging während der Pandemie verloren, und die neu entstandenen Pfarrprojekte müssen nun mit einer Summe von weniger als einer halben Million Pfund auskommen.

Trotzdem sprudeln Pfarrpersonen und andere kirchliche Mitarbeitende an Ideen, und da nicht alles auch gelingen muss, was man verwirklichen möchte, ist schon sehr viel neues Spannendes entstanden, das die Menschen in die Kirche lockt, auch wenn sie (noch) nicht Mitglied sind. Davon konnten wir uns vielerorts überzeugen.

Am letzten Mittag in Edinburgh durfte ich in der Greyfriars Church ein Mittagskonzert mit einem Horn-Quartett erleben: in den Musikstücken von Komponisten aus fünf verschiedenen europäischen Ländern – einschliesslich Russland! – wehte der Atem von Freiheit, Aufbruch und Gewissheit: «Christus factus est» (von A. Bruckner). Es war das erste Mittagskonzert in der Nach-Corona-Zeit.

Für die Schweiz nehme ich aus dem Erlebten und Gehörten mit:

  • Nicht auf die Quantität kommt es an, sondern auf die Qualität.
  • Habe Mut zu scheitern, denn es bleiben noch genügend Perlen übrig vom «try tank».
  • Lasst uns diskutieren, was Mission wirklich heisst!

 

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