In seinem Impulsreferat betonte Hans Joas aus sozialphilosophischer Perspektive, dass durch die Diskussion über theologische Lehrsätze oder über Kirchengeschichte nicht eingefangen werden kann, worum es in Religion geht. Vielmehr müsse man bei der Dimension der Erfahrung ansetzen, um das Movens von Religion zu erfassen. Dabei sind Erfahrungen der Selbsttranszendenz im Blick, in denen die Grenzen des Selbst aufgebrochen werden. Im positiven Sinne geschieht dies beispielsweise beim Verlieben oder im eins sein mit der Natur; im Negativ wenn man jemandem Gewalt antun.

Solche allgemein-menschlichen Erfahrungen sollen in ihrer Vielfalt in den Blick kommen und artikuliert werden. Religionen bieten reiche Repertoires für diese Artikulationsversuche. Eine ganz starke solche Erfahrung ist die der Ergriffenheit, bei der Dinge, Orte, Zeiten oder Personen als heilig erlebt werden. Soziologisch beschrieben bilden sich Kirchen, wenn dieses Geheiligte die partikulare Bedeutung überschreitet und eine universale ethische Dimension erhält.

Niklaus Peter erinnerte in seiner Response aus kirchlicher Sicht daran, dass es nicht nur Aufgabe der Kirche ist, Erfahrungen gegenüber sensibel zu sein, sondern zugleich sich in einer Sprache zu üben, die Erfahrungen einfangen, aber auch gegenüber Bibel und der Liturgie sensibel ist.

Von ganz praktischen Erfahrungen der Selbsttranszendenz in ihrem beruflichen Alltag und den Chancen, die diese bieten im Hinblick auf die Transformation des Selbst, der Beziehungen und der Spiritualität von Menschen erzählten Jenny May-Jenni, Pfarrerin und Shiatsu-Therapeutin in Ausbildung; der Erlebnispädagoge und Naturtherapeut Reto Bühler und der Paarberater und Mediator Roland Burri. (mwi)

 

Online-Diskussion des Buchs «Braucht der Mensch Religion?» am 2. Februar 2022

Wer Hans Joas‘ These der Sakralisierung weiter nachgehen möchte, ist eingeladen, sein Buch «Braucht der Mensch Religion? Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz» zu lesen und gemeinsam zu diskutieren.

Bei einem ersten Treffen auf Zoom wird am 2. Februar 2022 von 16-17.30 Uhr Teil 1 besprochen.

Infos & Anmeldung